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Wie Super Mario und The Last of Us die Zukunft der Gaming-Filme verändern


Super Mario Bros. Movie
© Universal Pictures

Es ist Mai 2023. Der Super Mario Bros. Film hat ein internationales Einspielergebnis von über 1 Mrd. US-$ geknackt und ist (vier Wochen nach Premiere) einer der 25 erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Wenige Monate zuvor hat die Serie zum Actionspiel The Last of Us den zweitbesten Serienstart der Dekade bei HBO hingelegt. Ab jetzt ist es offiziell: Gaming-Umsetzungen funktionieren nicht nur, sie spielen in der obersten Erfolgsliga. Es kann als bewiesen gelten, dass es um einen Kuchen geht, von dem milliardenschwere Stücke geschnitten werden.

Spannend dürfte ab jetzt die Frage werden: Wie geht dieser Trend weiter? Denn klar, dass nicht nur Nintendo weitere Stück von diesem Kuchen will, sondern Filmstudios und Spiele-Publisher ab jetzt jeden Stein nach weiteren vielversprechenden Marken umdrehen werden, um mehr auf uns loszulassen. Sei es Kinofilm oder Serie, es dürfte jetzt erst richtig losgehen. Denkbar ist sogar ein ähnlicher Hype, wie ihn Iron Man für Superhelden losgetreten hat. Gaming-Umsetzungen werden die neuen Comicverfilmungen.


Ein steiniger Weg zum Mainstreamerfolg


In den vergangenen Jahren wurden bereits zahllose Verfilmungen mit schwankender Qualität auf uns losgelassen. Von Monster Hunter mit Mila Jovovich, über die Halo-Serie bis hin zu Arcane auf Netflix. Es hat drei Dekaden gedauert, bis die Studios sich vom ersten Mario-Schock mit Bob Hoskins erholt haben. Nachdem der überbudgetierte und völlig am Ziel vorbei gefilmte Versuch einer Adaptierung auf allen Ebenen gescheitert war und heute bestenfalls als Edeltrash konsumiert werden kann, musste das Genre, wenn man es denn so nennen will, erst einmal kleine Brötchen backen.

The Last of Us
© HBO Entertainment

Die weiteren Versuche von Hollywood, aus Videospielen Kapital zu schlagen, sind zunächst lieblose Industrieerzeugnisse ohne Verständnis der Vorlage, geschweige denn Leidenschaft für diese. Dementsprechend volatil sind auch die Resultate: von guten Einspielergebnissen (Mortal Kombat von Paul W. S. Anderson) bis zu kolossalen Flops (Wing Commander). Die Filme aus den 90ern besitzen diskutablen Unterhaltungswert, nehmen aber Fans und Vorlage meist nicht ernst.

Ab 2000 zeichnet sich ein verändertes Bild mit zwei wichtigen Ausprägungen:

Erstens betritt die Bühne: Uwe Boll, heute berüchtigt als schlechtester Regisseur aller Zeiten. Der Deutsche wittert die Chance, günstig an Spielelizenzen zu kommen, verpflichtet durch trickreiches Management hochkarätige Stars wie Ben Kingsley und Jason Statham für Low Budget Verfilmungen von Bloodrayne oder auch Dungeon Siege. Kritiker zerreißen die Werke, für Fans der Spiele wird der Regisseur schnell zur Hassfigur. Dieser macht weiter und veröffentlicht ganze 11 Filme, die auf Spielen basieren und auf niedrigem Niveau durchaus profitabel sind. Man kann behaupten, dass unter ihnen nicht ein einziger vernünftiger Film ist und Uwe Boll maßgeblich zum schlechten Ruf der Gaming-Filme als niveaulose Nische beigetragen hat.

Dem gegenüber stehen in dieser Dekade erste Erfolge: 2001 kommt mit Angelina Jolie in der Hauptrolle Tomb Raider in die Kinos und macht beinahe 300 Mio. $ an der Kinokasse. Ein Jahr später macht der bereits durch Mortal Kombat erfahrene Paul W. S. Anderson die bekannte Resident Evil-Reihe zum Actionfilm. Auch wenn die Unterschiede zur Playstation-Vorlage gravierend sind, bringt es der erfolgreiche Zombiestreifen auf fünf Fortsetzungen unter Andersons Regie. Auch nicht-gaming-affines Publikum wird angezogen.

Aber auch wenn die genannten Erfolge, zu denen man auch noch Silent Hill addieren darf, auf eine positive Entwicklung in dieser Ära hindeuten: Gigantische Misserfolge bleiben nicht aus. Mahnmal dieser Zeit ist Final Fantasy, bei dem sich Entwickler Squaresoft durch die Finanzierung des Films fast um die Existenz bringt. Mit einem Verlust von rund 90 Mio. $ konnte nur noch ein Merger mit der Spieleschmiede Enix das angeschlagene Studio retten und ist seitdem auch als Square-Enix bekannt.

Aufgrund der vielen weiteren Flops wie Max Payne oder Warcraft galt bis vor kurzem die Regel: Videospiele können mit kleinen und mittelgroßen Budgets durchaus respektable Ergebnisse erzielen, für die erste Liga reicht es nicht. Zu riskant und wenig planbar erschienen die Aussichten, hohe Summen profitabel zu investieren. Und Planbarkeit ist eines der höchsten Güter für Hollywoods Filmindustrie.

Das ist nun passé und die Blaupausen zum Blockbuster liegen auf dem Tisch. Sonic, Detective Pikachu und die LoL-Serie Arcane haben den Weg bereitet, Nintendo und Sony ernten die ersten großen Früchte. Für Sony kann es dabei zum Vorteil werden, dass es Filmstudio und Spieleentwickler unter einem Dach vereint.

Bloodrayne
Bloodrayne von Uwe Boll © Splendid Film

Gaming ist heute ein Massenmarkt


Mit Blick auf die Spieleindustrie hat sich natürlich einiges verändert seit den frühen 90ern. Nicht nur ist der Durchschnittsspieler heute zwanzig Jahre älter und bietet ein größeres Potential. Auch Spiele haben sich entwickelt und wurden technisch so ausgefeilt, dass sie so

cineastisch inszeniert werden wie Hollywoodfilme. The Last of Us war praktisch schon ein interaktiver Film mit Action-Sequenzen. Für Marken wie Uncharted und Assassin's Creed gilt das gleiche.

Arcane Series
Die League-of-Legends-Serie Arcane © Netflix

Nicht zuletzt E-Sports, MMOs und Mikrotransaktionen haben die Gamingbranche zu einem Riesen wachsen lassen, der heute mehr Umsatz macht als Film- und Musikindustrie zusammen. 2021 lag das Gesamtvolumen bei 180 Mrd. $. Dass dieser Markt Hollywood als Katalysator zu weiteren Umsätzen dienen kann, hatte sich also durchaus abgezeichnet. Man sollte aber nicht unterschätzen, dass Casual Gaming hier eine große Rolle spielt. Das Geld sitzt nicht nur bei Mario, Link und Sonic, sondern vermehrt bei Candy Crush und Clash of Clans. Dass es auch die Angry Birds bereits auf die Leinwand schafften, ist also kein Zufall oder besonders gewagtes Unterfangen. Die Zielgruppen dieser "Spielchen" sind gigantisch. Wie groß das Involvement in diese ist, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Und auch die derzeit größte Gaming-Marke der Welt, Minecraft, wird gerade von Warner verfilmt.


Welche Filmstudios und Entwickler sind relevant?


Die größten Schätze dürften sich aktuell bei Nintendo heben lassen. So behutsam hat der japanische Entwickler seit dem Desaster mit Hollywood 1993 seine Marken gehütet, dass kaum eine Third Party mit ihnen arbeiten durfte. Abgesehen von Pokémon, das als Anime seit Jahren erfolgreich ist und einer uralten Mario Cartoonserie, gab es praktisch keine

Verfilmungen (wobei Nintendo nur einen Teil der Pokémon Company besitzt). Fans auf Reddit spekulierten bereits auf ein Nintendo Cinematic Universe mit Zelda, Metroid und Starfox, das in einem Smash Brothers "Endgame" münden könnte. Aktuell arbeitet man aber bei den Detective Pikachu Filmen mit Legendary Pictures zusammen, wodurch schon erste Lizenzprobleme auftauchen können. Klar ist aber, wer eine Milliarde macht, will auch eine zweite machen. Angekündigt wurde noch nichts, aber um einen zweiten Mario-Film kommen zu sehen, braucht man keine Kristallkugel. Und auch Zelda ist ein gigantisches Spielefranchise, das immer starkes Storytelling hatte. Mit Illumination und Universal stehen zwei kompetente Partner bereit, deren Zusammenarbeit voll aufgegangen ist. Alles andere als eine Fortsetzung dieser Kooperation wäre betriebswirtschaftlicher Irrsinn - wir wissen aber auch um die sorgfältigen Abwägungen und Vorsicht, die das japanische Traditionsunternehmen auszeichnen. Schnellschüsse sind nicht zu erwarten.

Bei Sony ist die Lage eine etwas differenziertere. Die Firma versteht sich vor allem als Elektronikkonzern mit Technikkompetenz und weniger als Spieleerfinder. Dementsprechend weniger charismatische IPs lassen sich auf den ersten Blick finden. Durch Sonys Anteile und guten Verbindungen zu vor allem japanischen Entwicklern sowie dem eigenen Filmstudio tun sich aber viele Möglichkeiten auf. Und unter den hauseigenen Produktionen gibt es bereits eine große Ankündigung: 2024 soll Ghost of Tsushima ins Kino kommen. Auch Horizon und God of War drängen sich nahezu auf, für erstgenanntes Spiel ist bereits eine Serie in Kooperation mit Netflix geplant, der Gott des Krieges wird bei Prime Video starten. Aber auch die Beziehungen zu Drittentwicklern, deren Spiele Sony exklusiv veröffentlicht hat, bieten Chancen. Mit dem Animationsabenteuer Ratchet & Clank hat man vor wenigen Jahren eine starke Marke bereits verbraten, indem man sie einem fremden Filmvertrieb anvertraute. Offensichtlich war das Vertrauen in den Erfolg noch nicht groß genug, vielleicht hat daraus ja die Lehre gezogen, sich bei Sony selbst um Eigenmarken zu kümmern. Richtig spannend wären Filme/Serien zu Bloodborne oder weiteren Souls-Titeln. Hier hätte Sony bei Interesse die besten Karten. Angekündigt und topaktuell ist daneben die Verfilmung zu Gran Turismo. Wenn man im Hause Sony richtig groß denkt, ließe sich auf Basis der GTA-Lizenz sogar ein neues Action-Franchise als Konkurrenz zu Fast & Furious aufbauen.

Ghost of Tsushima
Ghost of Tsushima: Das Epos im feudalen Japan wird aktuell verfilmt © Sony Interactive Entertainment

Als weiteres Studio wird weiterhin Paramount eine Rolle spielen. Die Sonic-Filme waren durchaus erfolgreich und die Kooperation mit Sega geht bereits weiter: Neben Sonic 3 (2024) und einer exklusiven Knuckles-Serie auf Paramount+ wurde die Lizenz für Yakuza an Land gezogen. Mit Sonic wird das Potential der bekanntesten Sega-Marke allerdings schon ziemlich ausgereizt. Weitere Möglichkeiten wie Crazy Taxi oder Phantasy Star taugen bestimmt für interessante Genrefilme, aber dürften keine Rekorde an den Kinokassen versprechen. Und die bekannte Prügel-IP Streets of Rage ist bereits zu Lionsgate gewandert, wo John Wick Schöpfer Derek Kolstad an einer Verfilmung schraubt.

Netflix arbeitet als reiner Streaminganbieter aktuell mit einer Vielzahl von Entwicklern zusammen (mal mehr, mal weniger erfolgreich): EA, CD Project Red, Sega, Ubisoft und viele mehr haben bereits die Bibliothek mit Serien gefüllt. Es kann aber auch als Distributionsplattform mit den bekannten Filmstudios zusammenarbeiten, die keinen eigenen Streamingdienst besitzen. Erfahrung mit Spieleumsetzungen sind bereits reichlich vorhanden. Castlevania, The Witcher und Arcane sind die Paradebeispiele. Angekündigt sind Live-Action- und Animationsserien zu u. a. Assassin's Creed, Tomb Raider, Splinter Cell und The Division. Auch wenn es qualitativ manchmal nach Hit & Miss aussieht, konnte Netflix besonders im Anime-Bereich oft überzeugen.

Bleibt noch der größte Player auf dem Markt übrig: The Walt Disney Company. Disney dürfte wenig Interesse an der Akquise von Games-Lizenzen haben, zu viele starke IPs tummeln sich bereits im Portfolio. Das heißt aber nicht, dass sie die Nostalgie erwachsener Gamer nicht als Marketingtool nutzen möchten. Der Mega Drive Klassiker Castle of Illusion bietet einen spannenden Micky Maus Stoff. Und nicht vergessen sollten wir Kingdom Hearts, die Spielereihe, die alle Charaktere von Disney und Final Fantasy vereint. Seit 2020 hält sich das Gerücht, dass eine Serie für Disney+ in Arbeit sei.

Disneys Schwesterfirma 20th Century Fox hat in der Vergangenheit durchwachsene Erfahrungen gesammelt. Hitman und Assassin's Creed performten ganz solide, während Far Cry und Max Payne ziemliche Rohrkrepierer waren. Aktuell hat man einen Untitled Pacman Movie ohne Release in der Pipeline und auch vom 2013 angekündigten Mega Man Film hat man nichts mehr gehört. Es besteht Aufholbedarf.

Knuckles Serie
Knuckles erhält bei Paramount+ seine eigene Serie © Paramount Pictures

Wer geht gestärkt aus den aktuellen Erfolgen hervor?


Aus den aktuellen Erfolgen gehen diverse Akteure gestärkt hervor. Schauen wir uns Chris Pratt an: Als Synchronsprecher von Mario und Hauptdarsteller in Guardians of the Galaxy Vol. 3 führt er die Kinocharts aktuell gleich doppelt an. Damit wird er in Hollywood zu einem der größten Erfolgsgaranten ever. Nicht, dass er vorher schlecht dastand, aber jetzt steht er ganz oben auf dem Treppchen und erhält vermutlich täglich Millionenangebote.

Und seien wir ehrlich: Auch wenn Mario im Titel ist, steht Prinzessin Peach ihm im Film in nichts nach. Sprecherin Anya Taylor-Joy setzt ihre beeindruckende Erfolgsserie ungehindert fort und stößt vom Jungstar in die A-Liga der Stars vor. Die Karriere mit Projekten von The Witch, The Menu und Queen's Gambit bis zu Mario ist eine starke Visitenkarte.

Last-of-us-Star Predro Pascal dürfte sich vor guten Angeboten ebenfalls nicht retten können. Nach seiner unvergesslichen Rolle in Narcos hatte er viele solide bis gute Rollen, aber mit nun zementiert er seinen Stellenwert und zeigt, wie er sowohl einen Film tragen kann und gleichzeitig den weiteren Cast scheinen lässt.

Zuletzt noch ein Blick nach Kalifornien: Für das Animationsstudio Illumination sieht es rosig aus. Endlich hat man neben Minions ein weiteres richtig fettes Standbein aufgestellt. In der Zusammenarbeit mit Universal und Nintendo lässt sich eine ernste Konkurrenz zu Disney bilden, zumindest im Kino. Wenn man es schafft, weitere Nintendo-IPs zu bekommen, steht eine große Zukunft an.

Klar ist aber vor allem eines: Wir als Zuschauer werden in den kommenden Jahren in Spieleumsetzungen ertrinken.








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