top of page

16 Ergebnisse gefunden

  • Review: Human Target (Panini Comics, 2023)

    Tom King ist der Comicautor der Stunde. Seine Beiträge für DC Comics (Mister Miracle, Batman, Supergirl - Woman of Tomorrow) haben das Zeug zu modernen Klassikern. Neben James Tynion IV dominiert der ehemalige CIA-Agent das aktuelle US-Comicgeschäft und konnte dafür nicht wenige Eisner-Awards absahnen. In diesem Jahr gewann er den begehrten Preis zusammen mit Künstler Greg Smallwood für die "Best Limited Series" Human Target. Dies war nicht mein initialer Anlass sie zu lesen, aber Band 2 ist fast parallel zum Preisgewinn in Deutschland bei Panini Comics erschienen. In der bei DC Black Label erschienenen Miniserie aus zwölf Akten, trifft Superheldenunterhaltung auf Hardboiled-Verschwörungsthriller. Wer oder was ist Human Target? Christopher Chance alias Human Target hat keine Superkräfte, ist aber ein Meister der Verkleidung, der jedem Mission Impossible Film alle Ehre machen würde. Er nimmt die Identität von bedrohten Geschäftsleuten, Prominenten und Politikern an, um sich als menschliche Zielscheibe Kugeln einzufangen, kidnappen zu lassen oder Gift einflößen zu lassen. Er fängt Angriffe von Attentätern, Terroristen und Assassinen ab. Während sich das eigentliche Opfer in Sicherheit wiegt, nutzt Human Target die Überraschung, um Schurken direkt nach der Tat zu überführen. Wie genau er all dies überlebt und er sich täuschend echt verkleiden kann läuft meist unter dem Motto "Ein Zauberer verrät seine Tricks nicht". Im Gegensatz zur Gerechtigkeitsliga sind die Motive von Chance allerdings vor allem geschäftlicher Natur. Human Taget ist ohne Frage einer der unbekannteren DC-Charaktere, der seit 1953 regelmäßige, aber überschaubare Auftritte hatte. Sein Debüt feierte er in der Reihe Detective Comics, wo er auch bis in die frühen 80er öfters auftrat und hatte auch in den 2000ern eine eigene fortlaufende Serie bei Vertigo. Den höchsten Bekanntheitsgrad erlangte die Figur vermutlich 2010 durch eine eigene Fernsehserie, die hierzulande bei Pro7 lief und nach zwei Staffeln eingestellt wurde. Auftraggeber: Lex Luthor Dass Christophers Interessen vor allem finanzieller Natur sind und er kaum moralische Bedenken bei der Auswahl seiner Kunden hat, finden wir zu Beginn der Geschichte heraus: Nachdem er sich eine Kugel für Lex Luthor einfängt und den Attentäter zur Strecke bringt, nimmt sein abgeschlossen geglaubter Auftrag eine unerwartete Wendung: Eine für Luthor vorgesehene Tasse mit vergiftetem Kaffee landet in seinen Fingern. Chance wird totkrank, ihm bleiben noch zwölf Tage zu leben. Er beschließt dies zu seinem letzten Fall zu machen. Wer wollte Luthor vergiften? Wer hat stattdessen ihn ermordet? Seine Ermittlungen führen ihn zur Justice League International und in eine Affäre mit der JLI-Heldin Ice, die ihn daraufhin bei seinen Nachforschungen begleitet. Beide misstrauen einander trotz gegenseitiger Zuneigung, denn Christopher deckt nach und nach die Macken einer unperfekten Heldengruppe auf, die mit der gottgleichen Erscheinung einer Justice League wenig gemein hat und in der jedes Mitglied verdächtig ist. Ein vertracktes Spiel: Heldenfiguren sind bei King mehr als Archetypen Was Tom Kings Arbeit für mich auszeichnet ist seine Herangehensweise an Charaktere. Figuren, die oft nur Karikaturen sind, erhalten Hintergründe aus denen sich klare Motive und Charakterzüge ableiten. Alle Figuren verfolgen eigene Interessen, stehen in komplexer Beziehung zueinander und haben persönliche Ziele. Dies wird erzählerisch so gekonnt verpackt und stückweise enthüllt, dass man als Leser nicht nur gespannt am Ball bleibt, sondern stets die Übersicht behalten kann. Human Target ist kein chaotisches Verwirrungsspiel mit Auflösungen, die wie Karl aus der Kiste kommen. Plot-Punkte bauen logisch aufeinander auf, Mitdenken lohnt sich und ist äußerst befriedigend. Besonders schön ist, dass Figuren aus der zweiten bis dritten DC-Reihe eine große Bühne erhalten. Guy Gardner, Booster Gold, Martian Manhunter, Ice und Fire. Beispiel Guy Gardner, der als Green Lantern seit vielen Jahren dabei ist: Oft nur Sprücheklopfer für One-Liner, Haudrauf-Kumpane von Hal Jordan, der auf einem kleinen Teil einer Splash-Page mit grüner Energie auf Schurken eindrischt. In Human Target ist Guy Gardner ein ausgemachtes Ekelpaket, das als Ex-Mann von Ice auftritt, ihr Leben kontrollieren will und sich als Macho aufspielt. Er ist eifersüchtig und gewaltbereit. Was für eine fatale Mischung für eine Green Lantern, die das Universum schützen soll. Kings Interpretation von Gardner ist unsympathisch, unangenehm und bedrohlich - trotzdem aber nachvollziehbar. Sie wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben. Die schillerndste Figur ist ohne Frage Ice, die viel mehr als nur Love Interest ist. Ihre Romanze mit Christopher im Stile alter Film Noir Filme und Hardboiled-Krimis wirkt nur manchmal aus der Zeit gefallen - insgesamt wird bewusst mit den Tropes aus den Werken dieser Ära gespielt und offensiv umgegangen. Angenehm diffus schwankt ihr Verhältnis mit Chance immer wieder zwischen Vertrauen und Misstrauen - die beiden öffnen und verschließen sich voreinander immer wieder, was das Detektivspiel durch die Dialoge der beiden stets unterhaltsam macht. Greg Smallwood: Herausragende Comickunst Die Geschichten von Tom King besitzen oft eine streng geordnete Struktur der Panels, parallele Linien und eine Art Raster-Look dominieren. Um diesen statischen Look mit Leben zu füllen, wurde mit Greg Smallwood ein Künstler verpflichtet, der das so grandios meistert, dass ich mir keine Alternative vorstellen möchte. Er zeichnet sich für Bleistift, Tusche und Farbe verantwortlich und bringt ein Highlight nach dem anderen. Bereits die Farbwahl ist geschmackvoll und am Puls der Zeit. Alles ist stets in einem Wachsmalstil gehalten, bei dem besonders die Cover hervorstechen. Die Bilder verleihen der Geschichte ein Gefühl, das sich aufgrund des Hardboiled/Noir-Charakters wie der Gegenentwurf zu Frank Miller anfühlt - anstelle von tiefem Schwarz, Trostlosigkeit und Düsternis ertränkt Smallwood die Welt in gleißendem Licht und grellen Farben mit starkem 60s-Vibe. Mir persönlich war Mister Smallwood bis dahin unbekannt, seine bekanntesten Arbeiten sind Marvels Moon Knight (mit Jeff Lemire) und diverse Cover Artworks für u. a. Star Wars. Ich werde ab jetzt die Augen aufhalten, wenn sein Name auf einem Band steht, denn Human Target ist einer der schönsten Comics, die ich bislang gelesen habe und das sage ich ohne Übertreibung. Fazit: Human Target muss man lesen Auch wenn mein Fazit eine unkritische Lobhudelei ist: Ich kann nur wenige Kritikpunkte finden. Klar, man könnte die Beziehung zwischen Ice und Christopher mit noch mehr Tiefe ausstatten, wahrscheinlich hätte man ihre Figur gerade in Anwesenheit des eifersüchtigen Guy Gardner wehrhafter und damit zeitgemäßer gestalten können. Es wird stattdessen viel mit Noir/Hardboiled Genremerkmalen gespielt und offensiv umgegangen. Human Target ist ein extrem frischer Take auf den Superheldenkosmos mit tollem Artwork und klasse Pacing, das von vorne bis hinten wahnsinnig viel Spaß macht. Es addiert jenseits des Kanon neue Facetten zu bekannten Charakteren und bietet eine Art von Agenten-Thriller, die man sonst wohl am ehesten im Universum des dunklen Ritter finden würde. Dieser wird übrigens auch besonders interessant in Human Target inszeniert. Es lohnt sich.

  • Review: Stories Untold (PC, 2017)

    Stories Untold verspricht eine Compilation aus vier Episoden experimenteller Adventures, die sich als Hommage an die alten Zeiten der Text-Adventures verstehen. Entwickler NoCode und Publisher-Liebling Devolver Digital zeigen, wie man gekonnt auf der 80er Retro-Welle surft und eine immersive Spielerfahrung bietet. Inception lässt grüßen: Das Spiel im Spiel Bereits beim Start der ersten Episode wird klar, woher der Wind weht: Es startet eine Art Serienintro, dessen Soundtrack und Schriftart stark von Stranger Things inspiriert zu sein scheinen. Dazu fährt die Kamera über Tape-Decks, Analogmikrofone und Röhrenbildschirme. Das mysteriöse 80s-Retro-Setting ist gesetzt. Wenn das Intro vorbei sitzen wir an einem Schreibtisch: Ein alter Spielecomputer wurde hochgefahren und das Spiel "The House Abandon" gestartet. Interaktion mit dem Schreibtisch ist nicht möglich, wir können aber per Texteingabe das Adventure auf dem Röhrenmonitor spielen. Also ganz Oldschool ohne Maus, ohne Grafik. Es wird eine Geschichte gespielt und wir können mit Befehlen wie "Look around", "Open door" oder "Use key" unsere Figure bewegen, um einen kleines Gruselspiel zu bewältigen. Als einsamer Protagonist lösen wir ein paar kleine Rätsel erforschen das Haus und starten eine Geschichte. Das ganze ist wirklich klein - hier ufert nichts aus und Episode 1 werden geübte Spieler wahrscheinlich in 20-30 Minuten gelöst haben. Spannend wird es ab dem Punkt, an dem sich Details des Textadventures mit eurer räumlichen Umgebung (also dem Schreibtisch) vermischen. Auch wenn es nur Geräusche im Hintergrund des Hauses oder ein Flackern der Lampe sind. Die Effekte werden reduziert, aber effektiv eingesetzt und es kommt ordentlich Gruselatmosphäre auf. Es steht immer mehr die Frage im Raum, inwieweit die virtuelle Spielwelt von Stories Untold mit der virtuell-virtuellen Spielwelt von "The House Abandon" verwoben ist. Genau diese Verwebung der einzelnen Layer zu erforschen, macht einen Großteil der Spannung aus. Und dies setzt sich auch in den folgenden drei Episoden fort. Die Evolution des Geschichtenerzählens Was mir an Stories Untold imponiert, ist die gelungene Verknüpfung verschiedener Erzählstile. Ohne dass wir es merken, wird die immer tiefer werdende Story auch in ihrer Erzählweise und Spielform erweitert. Während zu Beginn die Textform dominiert, kommen später Point & Click Passagen, Sprachausgabe und Erforschung aus der Egoperspektive hinzu. Jedes Element wird sehr sparsam dosiert, sodass wir uns nie wirklich an ein Konzept gewöhnen können bevor das Stories Untold vorbei ist. Ein roter Faden aller Episoden ist die Bedienung analoger Technik. Beginnend mit dem 80er-Computer, müssen wir bspw. Maschinen im Forschungslabor oder ein Funkgerät einsetzen. Die Interkation mit den Geräten wird nie allzu kompliziert, oft befolgen wir Anweisen, lesen Gebrauchsanweisungen und setzen um, was vorgegeben wird. Wer Kopfnüsse à la Monkey Island erwartet, wird hier enttäuscht. Es handelt sich eher um die Lightversion eines Escape Rooms mit Fokus auf Story. Und die hat tatsächlich einige unvorhersehbare Wendungen und clevere Verzahnungen parat, die uns vor den Monitor fesseln. Ein audiovisueller Sog Stories Untold bietet ein sehr reduziertes Setup, was Grafik und Sound angeht. Es gibt nur wenige Umgebungen und auch Musik kommt rein quantitativ nur dezent zum Einsatz. Allerdings wird alles, was wir zu sehen und hören bekommen, wirklich hervorragend eingesetzt. Die große Stärke des Spiels ist die Atmosphäre die kreiert wird. Raschen von Funksignalen, klapprige Schalter und knallende Türen: Man hat das Gefühl, sich hier mittendrin zu sein. Dazu wabern Synthi-Klänge im Hintergrund, werden je nach Spannung immerwährend lauter und spannen einen stimmungsvollen Bogen. In den 90ern wäre Stories Untold wahrscheinlich ein FMV-Adventure auf dem Sega Mega CD mit dilettantischen Darsteller*innen geworden. Wir dürfen froh sein, dass hier jedes Stück Sprachausgabe und jeder Polygon der Umgebung wirklich on point ist. Die Stimmung wird durch die technische Umsetzung zu keiner Zeit gebrochen. Ein paar mehr Details in der Interaktion wären dennoch wünschenswert gewesen. Dass viele Klicks auf die Raumdekoration komplett ohne Feedback bleiben, ist ein bisschen schade. Kein großes Manko, aber hier wäre Luft nach oben gewesen. Fazit: Wenige, aber intensive Stunden Stories Untold ist das perfekte Spiel für einen einsamen Abend am heimischen Computer. Licht dimmen, Kopfhörer auf und komplett eintauchen. Die Spielzeit ist mit 2-3 Stunden leider sehr knapp bemessen, dafür gibt es aber nicht einen einzigen Pixel Ballast. Mir wird die Erfahrung noch lange im Gedächtnis bleiben, denn am liebsten würde ich direkt weitermachen und neue Episoden in diesem Mikrokosmos starten. Umso erfreulicher, dass der Entwickler No Code gerade an einer Fortsetzung zu Silent Hill arbeitet - man darf gespannt sein.

  • Wie Super Mario und The Last of Us die Zukunft der Gaming-Filme verändern

    Es ist Mai 2023. Der Super Mario Bros. Film hat ein internationales Einspielergebnis von über 1 Mrd. US-$ geknackt und ist (vier Wochen nach Premiere) einer der 25 erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Wenige Monate zuvor hat die Serie zum Actionspiel The Last of Us den zweitbesten Serienstart der Dekade bei HBO hingelegt. Ab jetzt ist es offiziell: Gaming-Umsetzungen funktionieren nicht nur, sie spielen in der obersten Erfolgsliga. Es kann als bewiesen gelten, dass es um einen Kuchen geht, von dem milliardenschwere Stücke geschnitten werden. Spannend dürfte ab jetzt die Frage werden: Wie geht dieser Trend weiter? Denn klar, dass nicht nur Nintendo weitere Stück von diesem Kuchen will, sondern Filmstudios und Spiele-Publisher ab jetzt jeden Stein nach weiteren vielversprechenden Marken umdrehen werden, um mehr auf uns loszulassen. Sei es Kinofilm oder Serie, es dürfte jetzt erst richtig losgehen. Denkbar ist sogar ein ähnlicher Hype, wie ihn Iron Man für Superhelden losgetreten hat. Gaming-Umsetzungen werden die neuen Comicverfilmungen. Ein steiniger Weg zum Mainstreamerfolg In den vergangenen Jahren wurden bereits zahllose Verfilmungen mit schwankender Qualität auf uns losgelassen. Von Monster Hunter mit Mila Jovovich, über die Halo-Serie bis hin zu Arcane auf Netflix. Es hat drei Dekaden gedauert, bis die Studios sich vom ersten Mario-Schock mit Bob Hoskins erholt haben. Nachdem der überbudgetierte und völlig am Ziel vorbei gefilmte Versuch einer Adaptierung auf allen Ebenen gescheitert war und heute bestenfalls als Edeltrash konsumiert werden kann, musste das Genre, wenn man es denn so nennen will, erst einmal kleine Brötchen backen. Die weiteren Versuche von Hollywood, aus Videospielen Kapital zu schlagen, sind zunächst lieblose Industrieerzeugnisse ohne Verständnis der Vorlage, geschweige denn Leidenschaft für diese. Dementsprechend volatil sind auch die Resultate: von guten Einspielergebnissen (Mortal Kombat von Paul W. S. Anderson) bis zu kolossalen Flops (Wing Commander). Die Filme aus den 90ern besitzen diskutablen Unterhaltungswert, nehmen aber Fans und Vorlage meist nicht ernst. Ab 2000 zeichnet sich ein verändertes Bild mit zwei wichtigen Ausprägungen: Erstens betritt die Bühne: Uwe Boll, heute berüchtigt als schlechtester Regisseur aller Zeiten. Der Deutsche wittert die Chance, günstig an Spielelizenzen zu kommen, verpflichtet durch trickreiches Management hochkarätige Stars wie Ben Kingsley und Jason Statham für Low Budget Verfilmungen von Bloodrayne oder auch Dungeon Siege. Kritiker zerreißen die Werke, für Fans der Spiele wird der Regisseur schnell zur Hassfigur. Dieser macht weiter und veröffentlicht ganze 11 Filme, die auf Spielen basieren und auf niedrigem Niveau durchaus profitabel sind. Man kann behaupten, dass unter ihnen nicht ein einziger vernünftiger Film ist und Uwe Boll maßgeblich zum schlechten Ruf der Gaming-Filme als niveaulose Nische beigetragen hat. Dem gegenüber stehen in dieser Dekade erste Erfolge: 2001 kommt mit Angelina Jolie in der Hauptrolle Tomb Raider in die Kinos und macht beinahe 300 Mio. $ an der Kinokasse. Ein Jahr später macht der bereits durch Mortal Kombat erfahrene Paul W. S. Anderson die bekannte Resident Evil-Reihe zum Actionfilm. Auch wenn die Unterschiede zur Playstation-Vorlage gravierend sind, bringt es der erfolgreiche Zombiestreifen auf fünf Fortsetzungen unter Andersons Regie. Auch nicht-gaming-affines Publikum wird angezogen. Aber auch wenn die genannten Erfolge, zu denen man auch noch Silent Hill addieren darf, auf eine positive Entwicklung in dieser Ära hindeuten: Gigantische Misserfolge bleiben nicht aus. Mahnmal dieser Zeit ist Final Fantasy, bei dem sich Entwickler Squaresoft durch die Finanzierung des Films fast um die Existenz bringt. Mit einem Verlust von rund 90 Mio. $ konnte nur noch ein Merger mit der Spieleschmiede Enix das angeschlagene Studio retten und ist seitdem auch als Square-Enix bekannt. Aufgrund der vielen weiteren Flops wie Max Payne oder Warcraft galt bis vor kurzem die Regel: Videospiele können mit kleinen und mittelgroßen Budgets durchaus respektable Ergebnisse erzielen, für die erste Liga reicht es nicht. Zu riskant und wenig planbar erschienen die Aussichten, hohe Summen profitabel zu investieren. Und Planbarkeit ist eines der höchsten Güter für Hollywoods Filmindustrie. Das ist nun passé und die Blaupausen zum Blockbuster liegen auf dem Tisch. Sonic, Detective Pikachu und die LoL-Serie Arcane haben den Weg bereitet, Nintendo und Sony ernten die ersten großen Früchte. Für Sony kann es dabei zum Vorteil werden, dass es Filmstudio und Spieleentwickler unter einem Dach vereint. Gaming ist heute ein Massenmarkt Mit Blick auf die Spieleindustrie hat sich natürlich einiges verändert seit den frühen 90ern. Nicht nur ist der Durchschnittsspieler heute zwanzig Jahre älter und bietet ein größeres Potential. Auch Spiele haben sich entwickelt und wurden technisch so ausgefeilt, dass sie so cineastisch inszeniert werden wie Hollywoodfilme. The Last of Us war praktisch schon ein interaktiver Film mit Action-Sequenzen. Für Marken wie Uncharted und Assassin's Creed gilt das gleiche. Nicht zuletzt E-Sports, MMOs und Mikrotransaktionen haben die Gamingbranche zu einem Riesen wachsen lassen, der heute mehr Umsatz macht als Film- und Musikindustrie zusammen. 2021 lag das Gesamtvolumen bei 180 Mrd. $. Dass dieser Markt Hollywood als Katalysator zu weiteren Umsätzen dienen kann, hatte sich also durchaus abgezeichnet. Man sollte aber nicht unterschätzen, dass Casual Gaming hier eine große Rolle spielt. Das Geld sitzt nicht nur bei Mario, Link und Sonic, sondern vermehrt bei Candy Crush und Clash of Clans. Dass es auch die Angry Birds bereits auf die Leinwand schafften, ist also kein Zufall oder besonders gewagtes Unterfangen. Die Zielgruppen dieser "Spielchen" sind gigantisch. Wie groß das Involvement in diese ist, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Und auch die derzeit größte Gaming-Marke der Welt, Minecraft, wird gerade von Warner verfilmt. Welche Filmstudios und Entwickler sind relevant? Die größten Schätze dürften sich aktuell bei Nintendo heben lassen. So behutsam hat der japanische Entwickler seit dem Desaster mit Hollywood 1993 seine Marken gehütet, dass kaum eine Third Party mit ihnen arbeiten durfte. Abgesehen von Pokémon, das als Anime seit Jahren erfolgreich ist und einer uralten Mario Cartoonserie, gab es praktisch keine Verfilmungen (wobei Nintendo nur einen Teil der Pokémon Company besitzt). Fans auf Reddit spekulierten bereits auf ein Nintendo Cinematic Universe mit Zelda, Metroid und Starfox, das in einem Smash Brothers "Endgame" münden könnte. Aktuell arbeitet man aber bei den Detective Pikachu Filmen mit Legendary Pictures zusammen, wodurch schon erste Lizenzprobleme auftauchen können. Klar ist aber, wer eine Milliarde macht, will auch eine zweite machen. Angekündigt wurde noch nichts, aber um einen zweiten Mario-Film kommen zu sehen, braucht man keine Kristallkugel. Und auch Zelda ist ein gigantisches Spielefranchise, das immer starkes Storytelling hatte. Mit Illumination und Universal stehen zwei kompetente Partner bereit, deren Zusammenarbeit voll aufgegangen ist. Alles andere als eine Fortsetzung dieser Kooperation wäre betriebswirtschaftlicher Irrsinn - wir wissen aber auch um die sorgfältigen Abwägungen und Vorsicht, die das japanische Traditionsunternehmen auszeichnen. Schnellschüsse sind nicht zu erwarten. Bei Sony ist die Lage eine etwas differenziertere. Die Firma versteht sich vor allem als Elektronikkonzern mit Technikkompetenz und weniger als Spieleerfinder. Dementsprechend weniger charismatische IPs lassen sich auf den ersten Blick finden. Durch Sonys Anteile und guten Verbindungen zu vor allem japanischen Entwicklern sowie dem eigenen Filmstudio tun sich aber viele Möglichkeiten auf. Und unter den hauseigenen Produktionen gibt es bereits eine große Ankündigung: 2024 soll Ghost of Tsushima ins Kino kommen. Auch Horizon und God of War drängen sich nahezu auf, für erstgenanntes Spiel ist bereits eine Serie in Kooperation mit Netflix geplant, der Gott des Krieges wird bei Prime Video starten. Aber auch die Beziehungen zu Drittentwicklern, deren Spiele Sony exklusiv veröffentlicht hat, bieten Chancen. Mit dem Animationsabenteuer Ratchet & Clank hat man vor wenigen Jahren eine starke Marke bereits verbraten, indem man sie einem fremden Filmvertrieb anvertraute. Offensichtlich war das Vertrauen in den Erfolg noch nicht groß genug, vielleicht hat daraus ja die Lehre gezogen, sich bei Sony selbst um Eigenmarken zu kümmern. Richtig spannend wären Filme/Serien zu Bloodborne oder weiteren Souls-Titeln. Hier hätte Sony bei Interesse die besten Karten. Angekündigt und topaktuell ist daneben die Verfilmung zu Gran Turismo. Wenn man im Hause Sony richtig groß denkt, ließe sich auf Basis der GTA-Lizenz sogar ein neues Action-Franchise als Konkurrenz zu Fast & Furious aufbauen. Als weiteres Studio wird weiterhin Paramount eine Rolle spielen. Die Sonic-Filme waren durchaus erfolgreich und die Kooperation mit Sega geht bereits weiter: Neben Sonic 3 (2024) und einer exklusiven Knuckles-Serie auf Paramount+ wurde die Lizenz für Yakuza an Land gezogen. Mit Sonic wird das Potential der bekanntesten Sega-Marke allerdings schon ziemlich ausgereizt. Weitere Möglichkeiten wie Crazy Taxi oder Phantasy Star taugen bestimmt für interessante Genrefilme, aber dürften keine Rekorde an den Kinokassen versprechen. Und die bekannte Prügel-IP Streets of Rage ist bereits zu Lionsgate gewandert, wo John Wick Schöpfer Derek Kolstad an einer Verfilmung schraubt. Netflix arbeitet als reiner Streaminganbieter aktuell mit einer Vielzahl von Entwicklern zusammen (mal mehr, mal weniger erfolgreich): EA, CD Project Red, Sega, Ubisoft und viele mehr haben bereits die Bibliothek mit Serien gefüllt. Es kann aber auch als Distributionsplattform mit den bekannten Filmstudios zusammenarbeiten, die keinen eigenen Streamingdienst besitzen. Erfahrung mit Spieleumsetzungen sind bereits reichlich vorhanden. Castlevania, The Witcher und Arcane sind die Paradebeispiele. Angekündigt sind Live-Action- und Animationsserien zu u. a. Assassin's Creed, Tomb Raider, Splinter Cell und The Division. Auch wenn es qualitativ manchmal nach Hit & Miss aussieht, konnte Netflix besonders im Anime-Bereich oft überzeugen. Bleibt noch der größte Player auf dem Markt übrig: The Walt Disney Company. Disney dürfte wenig Interesse an der Akquise von Games-Lizenzen haben, zu viele starke IPs tummeln sich bereits im Portfolio. Das heißt aber nicht, dass sie die Nostalgie erwachsener Gamer nicht als Marketingtool nutzen möchten. Der Mega Drive Klassiker Castle of Illusion bietet einen spannenden Micky Maus Stoff. Und nicht vergessen sollten wir Kingdom Hearts, die Spielereihe, die alle Charaktere von Disney und Final Fantasy vereint. Seit 2020 hält sich das Gerücht, dass eine Serie für Disney+ in Arbeit sei. Disneys Schwesterfirma 20th Century Fox hat in der Vergangenheit durchwachsene Erfahrungen gesammelt. Hitman und Assassin's Creed performten ganz solide, während Far Cry und Max Payne ziemliche Rohrkrepierer waren. Aktuell hat man einen Untitled Pacman Movie ohne Release in der Pipeline und auch vom 2013 angekündigten Mega Man Film hat man nichts mehr gehört. Es besteht Aufholbedarf. Wer geht gestärkt aus den aktuellen Erfolgen hervor? Aus den aktuellen Erfolgen gehen diverse Akteure gestärkt hervor. Schauen wir uns Chris Pratt an: Als Synchronsprecher von Mario und Hauptdarsteller in Guardians of the Galaxy Vol. 3 führt er die Kinocharts aktuell gleich doppelt an. Damit wird er in Hollywood zu einem der größten Erfolgsgaranten ever. Nicht, dass er vorher schlecht dastand, aber jetzt steht er ganz oben auf dem Treppchen und erhält vermutlich täglich Millionenangebote. Und seien wir ehrlich: Auch wenn Mario im Titel ist, steht Prinzessin Peach ihm im Film in nichts nach. Sprecherin Anya Taylor-Joy setzt ihre beeindruckende Erfolgsserie ungehindert fort und stößt vom Jungstar in die A-Liga der Stars vor. Die Karriere mit Projekten von The Witch, The Menu und Queen's Gambit bis zu Mario ist eine starke Visitenkarte. Last-of-us-Star Predro Pascal dürfte sich vor guten Angeboten ebenfalls nicht retten können. Nach seiner unvergesslichen Rolle in Narcos hatte er viele solide bis gute Rollen, aber mit nun zementiert er seinen Stellenwert und zeigt, wie er sowohl einen Film tragen kann und gleichzeitig den weiteren Cast scheinen lässt. Zuletzt noch ein Blick nach Kalifornien: Für das Animationsstudio Illumination sieht es rosig aus. Endlich hat man neben Minions ein weiteres richtig fettes Standbein aufgestellt. In der Zusammenarbeit mit Universal und Nintendo lässt sich eine ernste Konkurrenz zu Disney bilden, zumindest im Kino. Wenn man es schafft, weitere Nintendo-IPs zu bekommen, steht eine große Zukunft an. Klar ist aber vor allem eines: Wir als Zuschauer werden in den kommenden Jahren in Spieleumsetzungen ertrinken.

  • Superhelden-Stories: Wie entkommen wir dem Irrsinn der Multiversen?

    Das Leben mit Superkräften muss wirklich anstrengend sein. Immer wieder steckt man in der Krise. Und das meist in einer galaktischen, multidimensionalen Krise, die mit der Zerstörung von allem und der Neusortierung der Universen endet, um dann von vorne zu beginnen. Wie Sisyphos, der seinen Fels mühsam den Berg hinaufschiebt, um zu scheitern und von neuem zu beginnen, so sind auch die Superhelden-Comics in einer nicht enden wollenden quälenden Schleife gefangen. Diese Krisen haben nicht nur, aber vor allem bei DC Comics Tradition. Krisen unendlicher Erden, endlose Krisen, Identitätskrisen und mein Favorit, die "Final Crisis", die alles andere als endgültig war und lediglich in noch mehr Krisen mündete. Nun also die dunkle Krise. Vor kurzem ist in Deutschland die #1 des Dark Crisis Megaevents erschienen, die wie immer viele Einzelausgaben, Trade Paperbacks, Preludes und Monster Editions umfassen wird. Ich bin nach der Lektüre von Ausgabe 1 in mich gegangen und habe überlegt: Warum dieser Multiversums-Fetisch? Macht es für uns Lesende einen Unterschied, ob die Geschichten in einem Universum, Multiversum oder neuerdings Omniversum stattfinden? Wie tiefgreifend sind die Veränderungen nach diesen Events? Werden Geschichten durch die Gigantomanie der Verantwortlichen wirklich besser? Und haben Parallelwelten wirklich nicht mehr zu bieten als die gleichen Helden mit anderen Frisuren? Meine These: ich würde viel lieber mal über eine Midlife Crisis lesen. Für meinen Einstieg in die Superhelden-Comics hab ich damals einen denkbar komplizierten Weg gewählt: beim Stöbern auf eBay hab ich mir den Leckerbissen Infinite Crisis #1 rausgepickt (Das Variant-Cover war so cool!). Als ich realisiert habe, dass diese Ausgabe ohne Vorwissen praktisch unmöglich zu lesen ist, begann meine Odyssee. Viele ausgegebene Euros später hatte ich 5 Monster Editions, eine 7-teilige Heftserie, zwei Sonderhefte und acht Sonderbände von Justice League und Co. bei mir im Regal stehen. Eigentlich ein Wunder, dass mich das nicht so sehr abgeschreckt hat, direkt wieder Kehrt zu machen. Aber ich fand das spannend. Nicht nur hatte ich nach der Lektüre einen gesunden Fundus an Nerdwssen über das DC-Universum. Das Konzept solcher Events, verschiedener Realitäten und einem Start aller Serien in einem neu strukturierten Kosmos war irgendwie faszinierend. Ein paar Jahre später gab es dann Flashpoint, ein Event mit ähnlichen Konsequenzen für die Timeline (wenn auch nicht ganz so ausufernd für Sammelnde). Und nach Flashpoint wurden alle laufenden Serien auf Ausgabe 1 zurückgesetzt. Man merkt schon, der Hauptanreiz dieser Events liegt besonders im Sinne der Verlage: Komplettisten kaufen sich das ganze Event zusammen . Wer mehr wissen will, kauft zusätzlich die vorausgehenden Ausgaben und Bände, die zu diesem Event hingeführt haben. Danach Neustart: Eine #1 verkauft sich erfahrungsgemäß am besten (oder seid ihr schon einmal bei #46 in eine Serie eingestiegen?) Die Ursprünge dieser Entwicklung rühren ehrlicherweise nicht aus einer kreativen Vision, sondern aus den Verkaufszahlen. Denn als Crisis on Infinite Earths 1985 den ersten Reboot eines Superhelden-Multiversums einläutete, war die Motivation folgende: Die Verkäufe liefen bereits seit den 70ern immer schlechter. Die Last der Jahrzehnte voller Parallelwelten und alternativer Superhelden war zunehmend komplex geworden und Comic-Neulinge griffen immer bevorzugter zu Marvel, wo es diese Komplexität (noch) nicht gab. Der Plan, mit einem Event aufzuräumen, Ballast abzuwerfen und auf der grünen Wiese neu durchzustarten, ging auf. Die Verkäufe gingen wieder hoch. Inspirierend für Crisis on Infinite Earths dürfte ironischerweise ein Marvel-Event gewesen sein, denn Marvel's Secret Wars machte 1984 vor, wie man ein episches Crossover inklusiver einer Vielzahl von Helden inszenierte. Secret Wars hatte aber nicht die gleiche Relevanz für die Kontinuität oder hätte gar ein Reboot als Folge gehabt. Selbstverständlich stand Marvel aber eine Dekade später vor dem gleichen Problem wie DC und drückte mithilfe von Heroes Reborn den Reset-Button. Und seither sind beide Verlage in einem nie enden wollenden Zyklus aus Crossover-Event-Reboots gefangen. Die Verlage verdienen gut, die Leser behalten die Übersicht: Win-Win? Die Problematik besteht aus meiner Sicht darin, dass (besonders bei DC) der Gag langsam alt ist. Streichen wir das "langsam", er ist wirklich uralt. Ein Blick in Dark Crisis #1 zeigt, dass es weder künstlerisch noch erzählerisch neue Kniffe gibt und die Story nicht viel mehr ist, als "alle Superschurken greifen auf einmal an - was sollen wir tun?". Versteht mich nicht falsch, der Comic sieht zeichnerisch so aus, wie ich meinen DC-Superhelden-Comic mag und ich werde auch die #2 abgreifen, weil ich gespannt bin, welchen Weg die Story noch nimmt. Ich möchte auch nicht zu vorschnell urteilen. Aber es wirkt alles leider arg bekannt. Auch was den eigentlichen Zweck solcher Events angeht, nämlich das Multiversum zu entschlacken, habe ich wenig Hoffnung auf sinnstiftende Neuerungen. Nach Flashpoint hatte ich durchaus das Gefühl, dass alles erfolgreich verschlankt wurde. Aber wenn es danach alle 5 Jahre ohnehin Rebirth, Convergence oder nun Dark Crisis heißt, ist dieses Reinemachen nicht nachhaltig. Hinzu kommt, dass die Redakteur*innen nach ihren Reboots gerne merken, dass nicht alle Änderungen von Vorteil waren, um sie dann mit einem weiteren Event wieder zu retconnen. Um bessere Beispiele zu zeigen, verweise ich gerne auf eigentlich alle Manga oder Serien wie "Invincible", die zeigen, wie eine Superhelden-Continuity funktionieren kann, ohne überkomplex zu werden. Jetzt mag man mir vorwerfen, dass dort auch nicht hunderte Künstler an den Comics arbeiten, worauf ich gerne erwidere: ja, vielleicht wäre ja gerade das der Schlüssel. Außerdem demonstrieren u. a. die Turtles-Comics und Star Wars (ab 2015) , dass Kontinuität und Künstlervielfalt ohne regelmäßiges Retconning und Rebooting funktionieren kann. Und noch eine Idee: Vielleicht müssen gar nicht 15 Batman-Serien parallel erscheinen. Ich übertreibe? Überhaupt nicht, anno 2023 sieht die Landschaft der laufenden Batman-Reihen folgendermaßen aus: Batman Batman - Detective Comics Batman - One Bad Day Batman - Gotham Knights Batman/Superman: World's Finest Batman: Knightwatch Batman: The Adventures Continue Batman Incorporated Batman: Legends of Gotham Batman: Fortress Batman: Urban Legends I Am Batman The Batman & Scooby-Doo Mysteries Batman & The Joker Batman vs. Robin Dies sind übrigens die amerikanischen Veröffentlichungen nach Dark Crisis, soviel zum großen Reinemachen. Welche Konsequenzen haben denn Reboots? Eine berechtige Frage. Neben Beziehungen zwischen Charakteren (z. B. Supermans Hochzeit), Todesfällen oder der Existenz einzelner Held*innen wurde auch die Struktur des Multiversums immer wieder angepasst. Nach Infinite Crisis bspw. wurde das DC Multiversum neu geordnet und bestand aus genau 52 Universen. Dazu gibt es auch eine wunderbare Karte von Grant Morrison: In späteren Events wurde dieses Konzept wieder verworfen. So existierten dann nicht nur unbegrenzte Universen, sondern sogar unendlich viele Multiversen als Teil eines Omniversums. Meine Frage dazu: warum dieser Krampf? Für spannende Stories ist es völlig unerheblich, wie viele Omniversen es gibt und ob irgendwo ein Dark Multiverse oder ein Wildstorm Multiverse existiert. Dass im Writer's Room bei DC Comics gewisse Regeln gelten, an die sich Schreibende halten sollen: Haken dran. Aber ich möchte gar nicht, dass dieses Regelwerk, das in Wirklichkeit ein Werkzeug zum Ordnen der Welt darstellt, zur Kernthematik aller Geschichten wird. Und dieses Regelwerk hat ohnehin keinerlei Glaubwürdigkeit mehr, da jeder weiß, dass in 5 Jahren die nächste Krise alles neu ordnen muss, weil es zu viele Ausnahmen gab und DC einen Sales Push braucht. Das war, wie oben beschrieben, einige Male spannend und interessant, verkommt aber zum Selbstzweck. Hinzu kommt die hanebüchene Unkreativität, mit der sich dem Konzept von Parallelwelten angenommen wird. Es wird ja sehr oft mit Vokabeln wie Infinite, Multi und Omni um sich geworfen, aber wenn das unendliche Vorstellungsvermögen der Multibegabten bei DC nur dazu führt, dass es einen Superman mit grauen Schläfen und einen Mix aus Batman und Joker gibt, dann schenkt euch das Konzept. Auch der letzte Marvel-Erguss in Filmform zum Thema Multiversity hat nicht viel mehr geboten: ein paar bunte Welten hier, eine zerstörte Welt dort, meist nur für wenige Minuten kurzer Schauwerte ohne echten Einfluss auf die Story. Alles in allem ist das nicht unendlich kreativ, sondern seit Jahrzehnten gelernt, voraussehbar formelhaft und nur in seiner Inkonsistenz konsistent. Mein Pitch für DC Comics: Midlife Crisis on a single Earth Was ich viel lieber lesen möchte als 250 Held*innen in Spandex durch die Galaxie schießen zu sehen: Clark Kent in der Midlife Crisis. Was geht nach Jahren der Superkämpfe in ihm vor? Was denkt er, wenn er am Frühstückstisch das Konkurrenzblatt vom Daily Planet liest? Macht Flash Yoga und Meditation, um zu entschleunigen? Was macht es mit Batman, dass der rechtzeitige Gang zur Therapie ihm ein normales Leben ermöglicht hätte? Die für mich interessanteste DC-Crisis von allen war für mich eine, die oft übergangen wurde: Identity Crisis von Brad Meltzer. Hier geht es nicht um die Zerstörung von allem und jedem durch Typen, die so richtig böse sind. Es geht um einen tiefen Vertrauensbruch innerhalb der Justice League. Und hier wurde das Kunststück vollbracht, allen Superheld*innen genug Raum einzuräumen. Kurz gesagt: Lieber tiefere Entwicklung einzelner Kernfiguren als gigantische Storylines, in der jede Figur zwei Sätze beisteuern darf, um den Plot voranzutreiben. Lieber ein paar Seiten Platz für einen echten Dialog als die nächste Doppelseite voller Laserstrahlen. Konsequente Weiterentwicklung der Charaktere wie im Manga - zumindest für 10 Jahre einmal. Das Thema Multiversen und Alternativ-Erden darf gerne ausgespart werden. Ich höre schon die Stimmen "Aber Erde Eins war eine fantastische Serie bei DC!" Richtig, Batman, Green Lantern, Wonder Woman, Superman haben hier super Auftritte gemacht. Aber zwei Vorschläge: Entweder wir nehmen diese Nebenserien als Maßstab für die zukünftigen Hauptserien. Oder: Wir betrachten diese Geschichten als das, was sie sind: als Bücher, die für sich existieren und die nicht in die Logik eines Multiversums eingeflochten werden müssen. Machen wir uns nicht vor, dass die Beziehungen zwischen Erde-1, Erde-0 und Erde-Prime ein ausschlaggebender Grund für gute Stories in der DC-Kontinuität gewesen wären. Komplexe serienübergreifende Megaevents? Ja, klar! Und falls das hier missverständlich ist: ich bin bereit, mich in eine komplexe Comicwelt einzuarbeiten. Mega-Events mit Sonderbänden, Limited Issues, Spin-Offs, Monster-Editions und Co. bereichern mein Nerd-Leben durchaus. Aber gerne in ganz neue Richtungen ohne Paralleldimensionen, Zeitreisen und alternative Realitäten - das wurde nun auserzählt. Der Anstoß zu diesem Eintrag war die Lektüre von Dark Crisis #1, eines Events, das in den USA längst abgeschlossen ist. Ich habe mich bewusst von Spoilern ferngehalten, viele wissen schon mehr als ich. Aktuell deutet aber alles daraufhin, dass diese Story more of the same bietet und keine gravierenden Überraschungen warten.

  • Review: Outcast: Second Contact, PC (2017)

    Wir leben im Zeitalter der Franchises, Prequels, Sequels und Remakes. Viel zu oft werden alte Marken wieder aufgewärmt, anstatt neue zu etablieren und Neues auszuprobieren. Dies gilt sowohl für Filme, Comics und Spiele. Aber: es gibt auch diese glücklichen Einzelfälle lange vergessener Namen, die nach vielen Dekaden unverhofft zurückkehren. Outcast: Second Contact ist einer dieser seltenen Fälle, bei dem ich direkt leuchtende Augen bekam, so tief ist meine Verbindung zum Originalspiel. Aber fangen wir von vorne an. Das Original von 1999: Ein unterschätzter Meilenstein Outcast wurde 1999 vom französischen Publisher Infogrames veröffentlicht und war ein Riesenthema in der Spielepresse. In diesem Action Adventure schlüpfen wir in die Rolle des Ex-Marines Cutter Slade, der in ein Paralleluniversum geschickt wird, um die Menschheit vor einem künstlichen schwarzen Loch zu bewahren. Dazu durchstreift er den Planeten Adelpha, muss den außerirdischen Bewohnern helfen und sechs verschiedene Kontinente bereisen. Verbunden sind diese durch die Daokas, Portale, die stark an Stargate erinnern. Technisch revolutionär wurde damit eine gigantische Spielwelt offenbart, die sich frei und nonlinear erkunden ließ. Eine Open World mit epischer SciFi Story, symphonisch eingespielter Musik und der deutschen Synchronstimme von Bruce Willis. Alles andere als Standard vor der Jahrtausendwende. Optisch wurde groß aufgefahren: die verwendete Grafik-Engine arbeitete nicht primär mit Polygonen, sondern mit Voxeln, dreidimensionalen Pixeln. Diese Voxel wurden praktisch aufeinander und nebeneinander gestapelt, um organische Landschaften zu formen. Das war zwar rechenintensiv, aber sah für damalige Verhältnisse beeindruckend aus. Auch heute noch sieht man, dass der Look etwas einzigartiges hat, denn Voxel kommen weiterhin nur selten zum Einsatz. Außer im zweifellos erfolgreichsten Nutzer dieser Engine, nämlich Minecraft. Der große Nachteil damals: Voxel beanspruchten die nicht die Grafikkarte, sondern den Prozessor, was dazu führte, dass bei Erscheinung praktisch kein Normalsterblicher Outcast mit maximalen Grafikeinstellungen spielen konnte. Ebenso wie die visuelle Power war auch der Sound seiner Zeit voraus. Die Entwickler wollten unbedingt einen cineastischen Klassik-Soundtrack umsetzen, wie er für Spielfilme üblich war. Und konnten dies dank Komponist Lennie Moore und dem Moskauer Symphonie Orchester exzellent umsetzen. Schwere Chöre, dramatische Bläser und orientalische Flöten schufen eine stimmungsvolle Kulisse. Nicht umsonst konnte Outcast damals zahlreiche Preise für Sound und Musik gewinnen. Hinzu kam eine ausführliche Sprachausgabe, in der Protagonist Cutter Slade mit Manfred Lehmann (Bruce Willis) prominent vertont wurde. Wer sich einen zufälligen Dialog anhört, wird über seltsame Ausdrücke stolpern. Denn für die auf Adelpha lebenden Talaner wurde eine eigene Sprache mit hunderten eigenen Wörtern entwickelt. Ein Wörterbuch hilft euch, den Überblick zu behalten, die meisten Vokabeln gehen aber schnell in Fleisch und Blut über. Beispiel gefällig? Ein Shamaz ist ein Priester, der Ulukai ist der auserwählte Retter und das Fandazma ist die Seele. Für mich hat der Faktor Spache immer stark zur Immersion beigetragen. Aber auch spielerisch hatte Outcast viel zu bieten. Neben seinem non-linearen Aufbau gab es viele Nebenquests zu lösen, unzählige Charaktere kennen zu lernen und Ausrüstung zu sammeln. Sechs upgradefähige Waffen plus technische Gadgets brachten Tiefgang in die Kämpfe. Diese spielen sich heute nicht mehr besonders rund und haben Federn gelassen, luden aber zum experimentieren, ausprobieren und Fallen-stellen ein. Dynamit, Fernzünder, Teleporter, Bewegungsauslöser: wer das Terrain erst einmal überblickt hatte, konnte sich austoben. Außerdem ließ sich frei zwischen 3rd- und 1st-Person umschalten (was nicht unbedingt die cleverste Entscheidung für das Spieldesign war). Wenn ich mich hier nun in Lobeshymnen verliere, wie erfolgreich war denn Outcast schlussendlich? Nun, es war ein ziemlicher Flop. Zwar konnten die Kritiker weitgehend überzeugt werden, aber besonders in den USA wurden lediglich 50.000 Einheiten verkauft, was ein komplettes Desaster war (außerhalb der USA immerhin 350.000). Ein großer Faktor waren sicherlich die technischen Anforderungen, denn um Outcast damals ruckelfrei zu spielen, musste schon der PC von übermorgen her. Ich persönlich habe es auch erst einige Jahre später gespielt, als erforderliche Hardware erschwinglicher war. Von Entwicklerseite wurde außerdem moniert, dass Infogrames sich zur Veröffentlichung gerade im Übernahmeprozess des Publishers GT Interactive befand, wodurch die Vermarktung aktueller Projekte gelitten haben soll. 18 Jahre später: der zweite Kontakt In Anbetracht des kommerziellen Misserfolgs hatte Outcast immer eine überschaubare Fanbase. Umso überraschter war ich, also 2017 das Remake mit dem Titel "Second Contact" erschien. Nachdem die ersten Previews und Tests einen kompetenten Eindruck gemacht hatten, habe auch ich mich wieder nach Adelpha begeben. Der erste Eindruck zieht die Stimmung runter: was ist mit dem Intro-Film passiert? Da wo früher ein cineastischer (und grobpixeliger) Renderfilm lief, gibt es nun eine Art leicht animierte Diashow zu sehen. Dabei läuft die Originaltonspur von damals, nur: es hätte deutlich besser ausgesehen, wenn man den Charakteren zumindest bewegte Münder spendiert hätte. Auch der ganze Zeichenstil dieser Sequenz wirkt wie ein Fremdkörper in Outcast. Wir werden, Gott sei Dank, nichts dergleichen noch einmal erleben müssen. Als es dann ins Spiel geht und wir in der bekannten Schneewelt Ranzaar aufwachen, hellt sich die Stimmung auf: Das grafische Makeover ist gelungen, alles wurde zeitgemäß hochauflösend und detailreich aufbereitet und erstrahlt in neuem Glanz. Auch der Soundtrack wurde inklusive Sprachausgabe komplett beibehalten, was sehr angenehm ist. Spielerisch ist fast alles beim Alten. Ein bisschen Convenience im Vergleich zu damals gibt es: das Menü wurde neu designt, was Zeit spart und bspw. das Speichern funktioniert nun deutlich schneller. In der Vergangenheit gab es dazu einen magischen Stein, das "Gamsav" (kein Witz). Die Benutzung des Stein dauerte früher einige Sekunden, was bei häufigem Speichern den Spielfluss unterbrochen hat. Dies geht nun bedeutend schneller. Das war es aber auch beinahe mit den Änderungen. Die Spielwelt kommt weiterhin ohne Questmarker und moderne Open World Erleichterungen aus und erfordert gute Orientierung, akribisches Durchfragen bei den Bewohnern und ein verlässliches Gedächtnis. Wer sich nicht voll in Outcast hineinstürzt wird viele Wege mehrmals gehen und manchmal orientierungslos umherirren. Alles eine Geschmacksfrage, ich weiß sehr zu schätzen, dass man diesen offenen Ansatz beibehalten hat. Ein Questlog mit Wörterbuch und Lexikon über die Sprache der Talaner stehen allerdings zur Verfügung. Nun aber zum Aspekt, der durchaus ein Update vertragen hätte: die Steuerung. Anno 1999 war die Steuerung von Outcast schon gewöhnungsbedürftig und gerade das Sprungverhalten nicht einfach zu kontrollieren. Sowohl in den Kämpfen als auch ein paar größeren Geschicklichkeitspassagen seid ihr darauf aber angewiesen. Auch heute ist es nicht möglich, sich ohne Fehlversuche an einer Plattform hochzuziehen oder auf ein Häuserdach zu springen. Die Kontrolle über Slade zu behalten, wird also an einigen Stellen zum hakeligen Krampf. Die Kämpfe wurden weitegehend unverändert gelassen. Neben dem Laserpointer wurde ein Fadenkreuz spendiert, um das Zielen zu erleichtern, das hätte ich aber nicht gebraucht. Es trägt nicht viel zum Gameplay bei und ist relativ hässlich. Stattdessen wäre eine brauchbare Gesundheitsanzeige ein sinnvolles Feature gewesen. Den Überblick über die Gesundheit zu behalten oder ein Wissen darüber, wie viel ein Treffer wohl abzieht, ist weiterhin ein Glücksspiel. Erwähnenswert ist noch, dass beim Remake auf die optionale 1st Person Ansicht verzichtet wurde. Das ist konsequent, da wohl die wenigsten damals viel Zeit in dieser Perspektive verbracht haben und diese mit zeitgemäßen Ego-Shootern nicht mithalten könnte. Entmutigen lassen sollte man sich von den negativen Aspekten rund um die Kämpfe aber nicht, denn der Schwierigkeitsgrad ist nicht sonderlich hoch und mit ein bisschen Übung kann man schnell Erfolge erzielen. Lohnt sich die Rückkehr nach Adelpha? Outcast ist auch im Remake Second Contact ein Spiel mit vielen Ecken und Kanten, an dem sich die Geister scheiden werden. Wer Spaß daran hat in eine sehr originelle Welt einzutauchen, sich ohne Hilfestellungen Zusammenhänge zu erschließen, Aufgaben zu erarbeiten und lange Gespräche zu führen, bekommt eine einzigartige Spielerfahrung. Cutter Slade wird in eine fremde Welt geworfen, muss mit den Einheimischen sprechen und herausfinden was zu tun ist - als Spieler hat man kaum Wissensvorsprung vor ihm und muss viel selbst herausfinden und im Gedächtnis behalten. Dieser etwas sperrige und unkomfortable Ansatz hebt Outcast von modernen Open World Spielen ab, in denen meist nur zum nächsten Questmarker gelaufen und Taste X gedrückt wird. Ich bin glücklich darüber, dass dies nicht aufgeweicht wurde und ich wieder gezwungen war, mich intensiv mit den Talanern zu beschäftigen und gelernt habe, was ein Gui ist. Negativ fällt mir aber auf, dass einige Schwächen der Steuerung nicht überarbeitet worden sind und gerade in Geschicklichkeitspassagen Frust angesagt ist. Und bei aller Liebe zum Selbst-Erarbeiten: dass ich weiterhin Gegenstände mit Namen wie PROXI-130 HF finde, ohne einen Schimmer zu haben, was das sein könnte... Hier hätte man im In-Game-Lexikon ein paar Zeilen spendieren dürfen. Allen Spielern, die über die vorhandenen negativen Aspekte hinwegschauen können und Lust auf maximales Eintauchen in eine fremde Welt haben, kann ich Outcast: Second Contact sehr ans Herz legen. Mein Tipp: so weit wie möglich ohne Internethilfen spielen und ohne allzu großes Vorwissen durchs Daoka schreiten. PS: Ein Gui ist ein Stück Stoff, das mit dem Schweiß eines Muttertieres der Twon-Ha (Reittiere) getränkt wurde.

  • Auf diese Filme freue ich mich 2023

    Das vergangene Jahr hielt einige hochkarätige Filme parat und war unterm Strich ziemlich stark sowohl für Kino als auch Streaming. Darunter waren große, lang erwartete Titel wie "The Batman", aber auch kleinere Filme wie "Triangle of Sadness" oder "Men" konnten einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Schauen wir uns an, was 2023 in den Startlöchern steht. Spider-Man: Across The Spider-Verse Während ich bei den Spiderman-Filmen mit Tom Holland den Überblick verloren habe, wie viele es eigentlich gibt und in welcher Reihenfolge sie in welcher Beziehung zum MCU stehen, hatte "Spider-Man: A New Universe" mich damals rundum überzeugt. Die frische Aufmachung und die Tatsache, dass man die Story nicht krampfhaft in den kompletten MCU-Kosmos einsortieren muss, haben Spidey endlich wieder Spaß machen lassen. Vor allem visuell war klar: SO kann ein Film authentisch seine Comicvorlage adaptieren und weniger einen Animationsfilm als vielmehr ein bewegtes Comic-Heft liefern. Von der Fortsetzung erhoffe ich mir, dass an den ersten Teil qualitativ angeknüpft wird. Der Film kommt in Juni ins Kino. 65 Die Macher der "A Quiet Place"-Filme bringen mit Hilfe von Producer Sam Raimi ihr neues Werk "65" in die Kinos. Hauptdarsteller ist Adam Driver, der nicht nur bei Star Wars, sondern auch mit "Marriage Story", "House of Gucci" und "White Noise" bewiesen hat, dass er Filme allein tragen kann und zu den vielseitigsten Schauspielern Hollywoods zählt. Liest sich in den Personalien also sehr gut. Nach dem Absturz seines Raumschiffs muss sich ein Reisender (der laut Trailer anscheinend in Begleitung seiner Tochter ist?) durchs Dickicht eines fremden Planeten schlagen. Dort macht er Bekanntschaft mit: Dinosauriern! Könnte ein starker Genrefilm werden, hat aber sicher auch das Potential zum Rohrkrepierer. Ich hoffe natürlich ersteres. Kinostart ist der 17. März. Oppenheimer Christopher Nolan war ohne Frage einer der einflussreichsten Filmemacher der letzten 20 Jahre. Ob Batman, Inception, Dunkirk oder Tenet: wirkungsstarke Bilder, Charaktere mit Tiefe, dichte Atmosphäre und metaphorische Botschaften stehen für die Werke von Nolan, der als Regisseur aus meiner Sicht noch keinen schlechten Film abgeliefert hat (als Produzent hingegen durchaus den einen oder anderen). Nun nimmt er sich die Geschichte des Wissenschaftlers und Entwicklers der Atombombe, J. Robert Oppenheimer, vor. Die Erwartungen an Nolan sind ohnehin immer hoch und die Tragweite des Themas wirkt darauf nicht gerade mildernd. Oppenheimer sagte: „Jetzt bin ich zum Tod geworden, der Zerstörer der Welten.“ Das Plakat scheint uns genau das vermitteln zu wollen. Den Film ab 21.07. im IMAX-Kino zu sehen, gehört für mich zum Pflichtprogramm 2023. Barbie Was kann man schon von einem Barbie-Film erwarten? Man denke nur an die schaurigen Animationsproduktionen, die schon beim ersten Blick treffenderweise nach Plastik aussehen. Aber aufgepasst: Greta Gerwig ("Little Women") an der Regie, Margot Robbie als Barbie und Ryan Gosling als Ken. Alles Namen, die sich normalerweise nicht für den letzten Rotz hergeben. Dazu kommt noch der Umstand, dass Greta Gerwig bereits die Hausaufgabe des Teaser-Trailer mit einer 1+ mit Sternchen übererfüllt hat und ich mich wirklich Frage: kommt hier das Trash-Festival des Jahres auf uns zu? Wird der Spagat zwischen kommerzieller Anbiederung an ein zweifelhaftes Spielzeug von gestern und augenzwinkernder Parodie gemeistert? Ich bin sehr gespannt, was da auf uns zukommt, sehe aber sehr großes Potential. Ab dem 21. Juli erfahren wir es. The Super Mario Bros. Movie Super Mario als Film hat natürlich Anfang der 90er schon total gut funktioniert - nicht. Nun ja, zumindest ein Geheimtipp für den nächsten Trash-Filmeabend oder eine Folge SCHLEFAZ war drin. Was also wird 2023 anders? Das was es bisher zu sehen gibt, lässt darauf schließen, dass Nintendo seine wichtigste IP in die richtigen Hände gelegt hat. Audiovisuell ist das Ding ein Brett und wirkt so, als ob es eine gelungene Mixtur aus Fanservice, Humor und Abenteuer wird, die alle Erwartungen übertreffen. Und damit all das, was Videospielverfilmungen wie Sonic, Resident Evil oder Prince of Persia nie waren: eine liebevolle Hommage mit Gespür für Details, in die anständige Arbeit geflossen ist. Klar, über die Stimme von Chris Pratt mag man streiten, aber ich würde auch nicht über zwei Stunden die "It's-a me"-Stimme aus den Spielen hören wollen. Ich spare mir meine Lorbeeren noch bis zum 7. April auf, um sie dann hoffentlich feierlich auszupacken. Dune: Part Two Wenn einer der besten Regisseure, Denis Villeneuve, sich anspruchsvoller Science Fiction annimmt, dann sollte man Tickets vorbestellen. Mit "Blade Runner 2049" und "Dune" ist dies mehr als klar geworden und es gibt aktuell keinen Grund, warum der zweite Teil von Dune hier unterliefern sollte. Wir haben lange genug auf die Fortsetzung gewartet und ich möchte 2023 endlich erfahren, welche Dramen das Haus Atreides noch erwarten wird. Einen Trailer sollten wir hoffentlich Anfang dieses Jahres erhalten. Beau Is Afraid Filmemacher Ari Aster gehört zu den Leuten, die in den vergangenen Jahren den Horrorfilm innoviert haben. Nicht zuletzt dank seiner Werke "Hereditary" und "Midsommar" machen Begriffe wie "Art-Horror" oder "Elevated Horror" die Runde. Ich selbst bin großer Fan beider Filme, da sie das beste aus erstklassigem Drama und klassischem Horror im Stile der 70er vereinen und intensive Erlebnisse mit viel Substanz bieten. Nun kommt ab April Asters dritter Film "Beau is Afraid" mit Hauptdarsteller Joaquin Phoenix in die Kinos. Es ist nur vage klar, welche Art von Ängsten Beau plagen und auf welche Reise er sich begeben wird. Für mich ist dies aber mein derzeit größtes Highlight im Kinokalender, auf das ich mich wahnsinnig freue. Interessante Ideen, großes Schauspiel und den einen oder anderen Mindfuck verspricht bereits der Trailer.

  • Meine Top 10 Filme 2022

    Unterm Strich bin ich sehr zufrieden mit dem Kinojahr 2022. Ich war ca. 40 Mal im Kino (ein paar Wiederaufführungen eingeschlossen) und konnte vom Blockbuster über das Kammerspiel bis zum Anime vielfältig unterhalten werden. Ein paar Neuerscheinungen gab es nicht im Lichtspielhaus zu bewundern, sondern beim Streamingdienst der Wahl - hier konnte vor allem Netflix glänzen und neben den üblichen Totalausfällen (wie z. B. Red Notice oder The Gray Man) einige echte Perlen zutage fördern. Orientiert habe ich mich für dieses Ranking am deutschen Release. Einige wenige Filme sind zwar offiziell als 2021 gelistet, aber in Deutschland erst ein Jahr darauf erschienen. Bevor wir starten noch ein paar Honorable Mentions, die die Top10 knapp verpasst haben: So konnte mich "Good Luck to You, Leo Grande" mit seiner klischeebefreiten Darstellung einer Frau im mittleren Alter auf der Suche nach sexueller Erfüllung wirklich positiv überraschen. Ein Beweis dafür, dass eine guter Film oft nicht mehr braucht, als zwei Darsteller*innen und ein Set. In eine ganz andere Richtung ging dann "Dragon Ball Super: Super Hero". Die Dragon Ball Filme kamen selten über das Mittelmaß hinaus und sind meist ein nett anzuschauender Fanservice. Das hier war aber ein überragender Fanservice, mit stark inszenierter Action, großer Leichtigkeit, viel Humor und einem wirklich erfrischenden Anstrich, den die Reihe gut vertragen konnte. Mit "Men" gab es außerdem einen weiteren kompetenten Art-Horror von A24, "Incantation" lieferte okkulten Found-Footage-Horror aus Taiwan und in "Nightmare Alley" findet sich ein intensiver Neo Noir vom mexikanischen Großmeister Guillermo del Toro. Und zu guter Letzt möchte ich auch "White Noise" mit Adam Driver nicht unerwähnt lassen, dass zwar etwas sperrig und eigenartig daherkommt, aber auch eine interessante Filmerfahrung ist. 10. The House Diese britische Stop-Motion-Anthologie bietet drei unheimliche und bizarr-humorvolle Kurzgeschichten, deren Gemeinsamkeit das titelgebende Haus ist. Dabei springen die Stories in der Zeit vorwärts und stellen die sehr unterschiedlichen Hausbewohner vor, die es dort mit zahlreichen Herausforderungen zu tun bekommen: mal kommt es zur Überschwemmung, ein anderes Mal gibt es ein ganz kleines Problem mit Ungeziefer... Die Bilder besitzen einen unverbrauchten Stil, die Atmosphäre gestaltet sich bizarr bis mysteriös und bietet durch die skurrilen Einfälle immer wieder Grund zum Lachen. Ein Animationsfilm für Erwachsene und definitiv einer der Geheimtipps auf Netflix, der leider relativ unbeachtet geblieben ist. 9. Im Westen nichts Neues 2022 brachte die Realität des Krieges nach Europa und machte es vielen bis dahin erklärten Pazifisten schwer, bei ihrer Haltung zu bleiben. Ohne auf die Komplexität solcher Konflikte einzugehen: die Kunst und speziell der Film müssen in solchen Zeiten einen Beitrag leisten und mit "Im Westen nichts Neues" wurde ein Klassiker der Antikriegsliteratur neu verfilmt. Im Roman von 1928 spielen besonders die Gedanken und Beziehungen des Protagonisten Paul eine Rolle, der als junger Mann kriegsbegeistert an die Front gezogen wird und dort den Horror des ersten Weltkriegs erlebt. Der Film dagegen ist reines Erfahrungskino und setzt auf Emotionen, Eindrücke und starke Bildsprache. Und dies funktioniert sehr effektiv und transportiert die Botschaft auf einer rein audiovisuellen Ebene. Beeindruckend inszeniert, darf der Film sogar auf einen Oscar für den besten internationalen Film hoffen. 8. She Said "She Said" erzählt die Entstehung des preisgekrönten New York Times Artikels, der 2017 die #metoo-Bewegung auslöste. Die Konsequenzen spüren wir noch heute, erst letzten Monat wurde das zweite Urteil gegen Harvey Weinstein verkündet, er wird nie wieder als freier Mann leben. Der Journalismus-Thriller im Stile von Filmen wie "Spotlight" folgt zwar den Genrekonventionen, aber hat mich mit seiner Darstellung der Geschichte komplett mitgerissen. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so angespannt im Kino saß. Das Ende des Films steht von vornherein fest, aber trotzdem war die Erleichterung im Finale so groß, dass ich aufatmend in den Kinosessel gesunken bin. Und dort erst einmal minutenlang ausharrte. 7. Inu-oh Es gab im letzten Jahr für den deutschen Anime-Fan gleich zwei Werke, die den Zugang zur Musik suchen. Während mich "Belle" jedoch eher enttäuscht hat, ist mir "Inu-oh" sehr stark im Gedächtnis geblieben. Vom verspielten Zeichenstil und dem bereits wunderbaren Intro angefangen, bietet dieser Film eine Erfahrung, die sich deutlich von anderen Anime abhebt. Auch den Mut, schlagartig den Mittelteil als halbes Musical zu inszenieren, bewundere ich. Die Umsetzung dessen ist auch sehr gut gelungen, da man einen passenden, zeitlosen und universalen Musikstil gefunden hat. Für Filmfans, die etwas mit japanischer Folklore und tragischen Märchen anfangen können, eine ganz große Empfehlung. Ich bin sehr froh, hier im Kino gewesen zu sein. 6. Nope Sicherlich der bislang unzugänglichste Film von Jordan Peele, der auch ein großes Marketingproblem hat, da er als Horror vermarktet wurde, aber nur schwer dort einzuordnen ist. Zwar hat der Film große Suspense-Teile im Stile von "Jaws", hat aber genau so viele Elemente des Western. "Nope" besitzt sehr viele Ebenen und geht neben seiner Handlung auf Themen wie (Tier-)Ausbeutung, Verschwörungsideologien und moderne Medien ein. "Nope" verwirrt den Zuschauer, geht ungewohnte Wege und benötigt ein bisschen Zeit zum nachwirken, kam dann aber umso stärker bei mir an. 5. Guillermo del Toro's Pinocchio Was für ein Seitenhieb von Netflix an Disney, parallel zu deren misslungener Realverfilmung mit Tom Hanks eine eigene Interpretation von Pinocchio auf den Markt zu werfen. Und del Toros Variante setzt der klassischen Geschichte die Krone auf. Nicht nur ist der Stop-Motion-Stil bahnbrechend (ich konnte es zunächst gar nicht fassen und habe alles für CGI gehalten), die Verlegung der Geschehnisse in das faschistische Italien unter Mussolini verleiht dem Werk zusätzliche Tiefe. Eine beeindruckende Erzählung, die nicht nur optisch besticht, sondern auch alle emotionalen Tasten drückt. Und ein gutes Beispiel dafür, wie man heutzutage nicht einfach "Content kreiert", sondern einen Filmemacher seine Vision umsetzen lässt. 4. The Menu Anya Taylor-Joy mausert sich immer mehr zum absoluten Superstar und beweist mal wieder sehr guten Geschmack bei der Auswahl ihrer Rollen. In dieser Satire besucht eine auserlesene Gruppe ein Luxusrestaurant auf einer abgeschnittenen Insel, um das neueste Menü des berühmten Sternekochs zu probieren. Gerade das hohle Geschwafel einzelner Charaktere und die pathetischen Monologe des von Ralph Fiennes super gespielten Chefs sind ein großer Spaß. Leider wird der Film immer wieder als reine Parodie auf die Welt der Luxusküche verstanden, was der deutlich interessanteren Botschaft rund um die Rezeption von Kunst aber nicht gerecht wird. 3. RRR Rise. Roar. Revolt. Für viele Zuschauer war es das Jahr, in dem sich das Tor zum indischen Blockbusterkino geöffnet hat, für mich selbst auch. Hier warten noch viele Schätze darauf entdeckt zu werden. Zwar waren mir einzelne indische Filme wie "3 Idiots" bereits positiv aufgefallen, aber die Form des Action-Überwältigungskinos eines "RRR" ist nicht von dieser Welt. Unglaublich inszeniert, hier werden keine Gefangenen gemacht. Diese Bromance ist der bis dato erfolgreichste indische Film aller Zeiten und man muss ihn erlebt haben, sonst hat man etwas verpasst. 2. The Batman Seit ich den neuen Batman gesehen habe, geht mir der Soundtrack nicht aus den Ohren. Genau so muss sich das Thema des dunklen Ritters anhören. Genau wie in "The Batman" muss sich das Batmobil anfühlen. Und genau solch ein düsteres Detektivspiel, das ein wenig an David Fincher erinnert, möchte ich den Fledermausmann lösen sehen. Nach den sehr realistischen Nolan-Filmen wird Gotham City wieder etwas näher am Gothic interpretiert und geht stärker auf die ursprüngliche Identität der Detective Comics ein. Es ist bezeichnend, was DC immer dann für bahnbrechende Filme macht, wenn sie nicht als Teil des Extended Universe aufgezogen werden. Vielleicht sollte man ja dabei bleiben. 1. Everything Everywhere All at Once Wie viel Spaß kann ein Film machen? Um es kurz zu machen: ein Film, in dem ein Buttplug das tragende Element einer Kampfszene ist, in dem sich zwei Steine unterhalten, hat mich gleichzeitig zu Tränen gerührt. Diesen Spagat zwischen liebevollem Unsinn, präzise choreographierter Action und dem Familiendrama einer Migrantenfamilie kann man gar nicht hoch genug loben. Gleichzeitig ist dieses Werk eine Verbeugung vor dem klassischen Hong Kong Kino voller Referenzen für Filmnerds und ein Denkmal für Michelle Yeoh.

  • Meine Top 10 Comics 2022

    Im vergangenen Jahr habe ich das Medium Comic sehr divers ausgeschöpft: als Heft, als Hardcover, digital, aus der Bibliothek geliehen, neu erschienen, Klassiker, Manga, Superhelden, franko-belgisch - es war einiges dabei. Lange haben mir Comics nicht so viel Freude gemacht wie 2022. Besonders meine Leidenschaft für Manga ist wieder entflammt worden. Für die Platzierung in diesem Ranking ist ausschlaggebend, wann ich die vorgestellten Werke zum ersten Mal gelesen habe - das Erscheinungsdatum spielt keine Rolle. Serien fasse ich zusammen - wenn ich bspw. Manga X Band 1-5 gelesen habe, dann hebe ich nicht einzelne Bände heraus, sondern liste die Serie gesamtheitlich. Hier sind mein zehn liebsten Comics, Manga und Graphic Novels 2022, viel Spaß! 10. Rurouni Kenshin Mein ständiger Begleiter 2022 vor dem Einschlafen. Einer der ganz klassischen Shonen-Manga über einen ehemaligen Samurai, in einer Welt, in der das Schwert an Bedeutung verliert. Kenshin ist ein legendärer und gefürchteter Schwertkämpfer, der nun als einsamer Rurouni durchs Land streift und über Umwege im Dojo von Kaoru landet. Der etwas kauzige Kenshin spricht gerne von sich in der dritten Person, weiß meisterhaft zu kämpfen, aber ist im Herzen gutmütig und freundlich. Man merkt ihm aber auch an, dass er eine schwere Last vergangener Tage mit sich herumträgt. Sympathische Charaktere, geradlinige Action, typisch japanischer Humor und sehr authentische Erklärungen der Kampfkunst machen Rurouni Kenshin zur lockeren Lesekost, die mich immer abholt. Man merkt dem Autoren an, wie sehr er sich für die dargestellte Epoche begeistert und immer wieder historisches Hintergrundwissen gut verdaulich einfließen lässt. 9. Blue Giant Supreme "So viele verschiedene Menschen. Was für interessantes Land." Wenn der japanische Saxophonspieler Dai am Münchener Hauptbahnhof ankommt, geht mir schon das Herz auf. Alleine schon für die unvoreingenommenen und ehrlichen Eindrücke aus asiatischer Perspektive und die detailreiche Darstellung aller Schauplätze, ist ein Blick in diesen Manga wert. Dai ist nach Europa gezogen, um weltbester Jazz-Saxophonist zu werden. Aber ist Jazz überhaupt so ein großes Ding in München? Mit nichts als Instrument und Zahnbürste unterm Arm, versucht er, erste Auftritte zu organisieren, übt in der Fußgängerzone und macht auch mal Bekanntschaft mit der deutschen Polizei (die genau so freundlich ist, wie man das in Bayern gewohnt ist). Jetzt schon einer meiner Lieblings-Manga ever. 8. Ghostbusters/Turtles Mein Kinderzimmer in den 90ern bestand zu einer gewissen Zeit aus besonders zwei Dingen: Spielzeug von Turtles und Spielzeug von Ghostbusters. Und die treten jetzt in einer gemeinsamen Geschichte auf, so wie früher im Kinderzimmer? Nehmt all mein Geld, her damit! Ich bin ohnehin großer Fan der Turtles-Comics, die Ghostbusters-Reihe bei IDW war mir aber nie vertraut (spricht mich optisch auch nur bedingt an). Ein Dimensionssprung bringt die beiden Heldenteams in New York zusammen, um sich einer gemeinsamen Herausforderung zu stellen. Dabei geht es für die grünen Ninja auch um die Rettung zurück in ihre Heimatdimension. Man mag mir entgegenhalten, dass die Story relativ erwartbar ist. Ich mag dann entgegenhalten, dass das genau das ist, was ich mir gewünscht und damit auch erhalten habe. 7. Black Science Und schon wieder geht es um Dimensionssprünge, in diesem Fall aber nicht nach New York, sondern ein bisschen weiter weg. Wissenschaftler Grant McKay hat es geschafft, eine Maschine in Form eines Pfeilers zu entwickeln, der Reisen in parallele Realitäten ermöglicht. Leider ging dabei einiges schief. Nicht nur, dass seine Kinder versehentlich auf den ersten Trip mitgekommen sind. Das Ding ist kaputt und er schafft es nicht mehr, seine eigene Realität anzusteuern. Regelmäßig springt der Pfeiler nun automatisch in neue Welten und die Uhr tickt jedes Mal aufs Neue, die Reparatur und den Kampf ums Überleben zu meistern. Wow. Nicht nur, dass Matteo Scalera und Dean White hier eines der besten Artworks liefern, das ich je in einem Comic gesehen habe. Der temporeiche SciFi-Thriller von Rick Remender wirft unsere Helden (und Antihelden) erbarmungslos immer wieder in neue Gefahren hinein, die fantasievoller kaum sein könnten. 6. Doctor Aphra Star Wars ist in den letzten Jahren nicht immer ein einfaches Thema gewesen. Als Fan steht man irgendwo zwischen Enttäuschungen ("Rise of Skywalker") und kleinen Hoffnungen ("Andor") und macht manchmal lieber beide Augen zu. Der größte Teil der Comics, die seit 2015 bei Marvel erscheinen, gehört aber glücklicherweise zur hoffnungsstiftenden Zunft. Als besonders gelungen herausheben möchte ich die Reihe "Doctor Aphra": Von Vorteil ist, dass diese Figur neu erschaffen wurde und kein tonnenschweres Erbe an Fan-Erwartungen mit sich herumschleppt. Die Wissenschaftlerin am Rande der Legalität mit ihren zynischen Droiden Triple-Zero und BT-1 bietet eine richtige Erfrischungskur. Klar, ihr Charakter erinnert an Han Solo, aber den lässt man hier einfach mal in Ruhe, um sich mehr schreiberische Freiheiten rauszunehmen. Weltraumabenteuer zwischen den Fronten des Krieges von Rebellen und Imperium, die wahnsinnig viel Spaß machen. Angesiedelt ist Doctor Aphra übrigens zwischen Episode IV und V. 5. Teenage Mutant Ninja Turtles (IDW Collection) Ich habe in meinem Artikel zum Comicuniversum der Turtles sicher schon den einen oder anderen Superlativ fallen lassen. Turtles bei IDW sollte zum Vorbild für andere Superhelden-Serien werden, was Stringenz und Übersichtlichkeit der Kontinuität und sinnvolle sowie kreative Spin-Offs angeht. Man hat den klassischen Turtles-Charakteren eine Extraportion Hintergrundgeschichte verpasst, neue passende Figuren ergänzt und dem Ganzen einen erwachseneren, aber immer noch bunt-schrägen Look verpasst. Dazu ein bisschen japanische Folklore und Ernsthaftigkeit (und Verletzlichkeit) unserer Helden. Tragisch, dass die Serie in Deutschland nicht fortgesetzt wird, aber zu den Vorzügen unserer Zeit gehört auch, dass ein UK-Import kein großer Kraftakt mehr ist. 4. Snow Angels Jeff Lemire ist einer der erfolgreichsten aktuellen Comicautoren, umso gespannter war ich, was er sich für sein Comixology-Exclusive Snow Angels überlegt hat. Ganz so exklusiv ist es übrigens nicht mehr, da eine gedruckte Fassung über Dark Horse erschien. In einer kalten, eingeschneiten Endzeit leben die Bewohner eines Dorfes beinahe auf Steinzeitniveau. Umgeben sind sie von eingefrorenen, riesigen Maschinen und dem Horror des "Snowman", der einem nach dem Leben trachtet, traut man sich zu weit hinaus. Nach einem brutalen Angriff auf das Dorf, kommen alle Einwohner ums Leben. Lediglich die Schwestern Milli und Mae ziehen mit ihrem Vater fort und versuchen zu überleben. Diese zweibändige Odyssee ist gerade für SciFi- und Endzeitfans ein spannender Leckerbissen. Vom guten Jock stilvoll inszeniert ist es eine dieser Geschichten, die einen beim Lesen süchtig werden lassen. 3. Marsupilami: Die Bestie Im fernen Palumbien wird in den 50ern eine noch unbekannte Tierart entdeckt und über den Hafen von Antwerpen nach Brüssel gebracht. Dort wird es nach seiner Flucht von einem kleinen Jungen aufgenommen und muss gut gehütet werden. Die Geschichte des Marsupilamis, dieses Mal in der echten Welt. Realistisch, tragisch, zwischenzeitlich heiter, aber insgesamt ziemlich düster. Ein interessanter Entwurf, der ein völlig neues Licht auf das bekannte Phantasiewesen wirft, dieses aber nicht weniger sympathisch und umso berührender macht. 2. Rooster Fighter "Da schwillt mir doch mein formidabler Kamm!" Japan wird von Kaijus terrorisiert. Überall zerstören riesige Dämonen Städte und gefährden die Menschen. Einzige Hoffnung: Der Hahn Keiji, der sich mit gefiederter Power den Ungetümen widersetzt und Mensch und Tier beschützt. Man kann die Geschichte als Parodie auf One Punch Man verstehen, das an sich schon eine Parodie auf US- Superheldencomics darstellt. Die Parodie einer Parodie also. So skurril die Prämisse auch ist, es ist nach wie vor beeindruckend: Alles deutet darauf hin, dass es sich bei Rooster Fighter um einen Witz handelt, der nach einem Kapitel an Kraft verliert. Aber weit gefehlt. Der Manga belehrt mich eines besseren und zeigt, wie Worldbuliding und Charakterentwicklung trotz aller Albernheiten gelingen und macht stets neugierig darauf, was wohl als nächstes kommt. Außerdem ist der Manga wirklich umwerfend komisch, wenn Hühner sich an Kaligraphie versuchen und sich zur Paarungszeit der "geile Gockel" bei Keiji meldet. 1. Supergirl: Die Frau von Morgen Star-Autor Tom King nimmt sich Supergirl an und schickt Kara auf eine interstellare Verfolgungsjagd. Im Zentrum steht die junge Ruthye, deren Eltern von einem gewissenlosen Killer ermordet worden sind. Und Rache ist, wie wir wissen, ein Gericht, das am besten kalt serviert wird. Kara und Ruthye ziehen von Planet zu Planet bis sie den Mörder stellen und zur Verantwortung ziehen können. Nachdem ich vorhin Black Science als einen der best-aussehenden Comics betitelt habe, möchte ich auch hier meine Lorbeeren lassen: was Bilquis Evely hier zeichnet und koloriert, ist der Wahnsinn. Die bunten Welten im Stile klassischer Space Operas machen in den zwölf Kapiteln richtig Spaß. Hinzu kommt, dass wir die Geschichte aus Perspektive von Ruthye erleben, die als Erzählerin fungiert und mit ihrer unvoreingenommenen Beobachtung von Supergirl Tiefe in die Erzählung bringt. Ein Superheldencomic, ohne Superheldenquatsch, stattdessen als Rache-Epos mit viel Fantastik und Herz.

  • Meine Top 5 Spiele 2022

    2022 war für mich persönlich kein großes Gaming-Jahr, daher möchte ich meine besten Spielerlebnisse auf eine Top 5 beschränken. Normalerweise hole ich jedes Jahr einige ältere Titel nach, schaue in den Indiebereich hinein und greife seltener auch zu neuen Spielen für Konsole oder PC. Aber auch im Retro- und Indiesektor habe ich relativ wenig gespielt, da es 2022 nicht nur ein paar private Aufgaben zu meistern gab (es wurde geheiratet😊), sondern auch das initiale Aufsetzen von Panel, Frame & Pixel hat ein bisschen Zeit verschlungen. Da blieb neben Filmen und Comics die Zockerei etwas auf der Strecke. Daher folgt hier eine kurze und knackige Auswahl meiner Gaming-Highlights aus dem letzten Jahr. Wichtig: Hierbei geht es um Spiele, die ich 2022 gespielt habe, das Erscheinungsdatum spielt für die Aufnahme in diese Topliste keine Rolle. Honorable Mention: Sonic Triple Trouble 16bit (PC, 2022) Dieses 16bit-Remake des alten Game Gear Jump'n'Runs habe ich bereits vor einigen Monaten näher beleuchtet. Das Spiel ist nicht nur als non-kommerzielles Ein-Mann-Projekt bemerkenswert, es steht anderen 16bit-Sonics in kaum etwas nach. Meinen ausführlichen Test lest ihr hier. 5. WipeOut Omega Collection (PS4, 2017) Wenn ich etwas für Rennspiele übrig habe, dann besonders für SciFi-Rennspiele. Als Vorreiter dieses Subgenres gilt gemeinhin F-Zero für den Super Nintendo, den Übergang in die dritte Dimension hat allerdings 1995 WipeOut vom britischen Studio Psygnosis auf der Playstation geprägt. Während neue Teile der Serie rar geworden sind, wurde mit der Omega-Collection ein Remaster zwei früherer Titel aufgelegt: WipeOut HD (PS3, 2008) inklusive der Expansion Fury und WipeOut 2048 (PS Vita, 2012). Erhalten habe ich sehr umfangreiche Single Player Kampagnen, äußerst knackige Herausforderungen, die viel Übung erfordern und ein tolles Fahrgefühl. WipeOut spielt sich sehr sensibel und folgt einer gewissen Arcade-Logik, die dem Spieler ein wiederholtes Scheitern und Lernen abverlangt, was mich sehr anspricht. Dazu rasende Geschwindigkeit, futuristische Locations und ein starker EDM-Soundtrack mit Schwerpunkt auf Drum and Bass. Es wäre wirklich an der Zeit, ein neues WipeOut zu veröffentlichen. 4. Zelda: Link's Awakening (Switch, 2019) Dieses Remake des alten Gamboy-Klassikers ist kein Geheimtipp, sondern für jeden Fan traditioneller Action-Adventures ein Pflichtspiel. Nicht nur der charmante 3D-Look ist gelungen, das Spiel ist auch Zeugnis der oft unerreichten Nintendo-Qualität. Hinter der neu modellierten Fassade verbirgt sich das 1993 veröffentlichte Abenteuer, das spielerisch zeitlos ist und vor Augen führt, was für ein starkes Spieldesign bereits zu Gameboy-Zeiten an den Tag gelegt wurde. Dass trotz der Limitierungen der Konsole ein solches Abenteuer entstehen konnte, ist eine Meisterleistung: clever verzahnte Dungeons, eine spannende Oberwelt voller Geheimnisse, sympathische Charaktere und eine der ungewöhnlichsten Zelda-Stories. In der aufpolierten audiovisuellen Verpackung ein tolles Erlebnis. 3. Super Mario 3D World (Switch, 2021) Und noch einmal Nintendo mit einer seiner Kern-IPs. Was soll man zu Mario Jump'n'Runs noch schreiben? Es ist hinlänglich bekannt, wie poliert und fehlerfrei diese Spiele sind. Super Mario 3D World liegt ein wenig im Schatten von Mario Odyssey, da es sich um ein Remaster handelt, denn originär kam das Spiel 2013 auf der Wii U heraus. Es orientiert sich in seiner Struktur aus Oberwelt und Hüpfpassagen stark an den 8bit und 16bit Titeln von Mario und setzt weniger auf Action-Adventure-Einflüsse und Sammelaufgaben als andere 3D-Plattformer. Und diese Konzentration auf das Wesentliche ist einfach erfrischend. Jump'n'Run-Fans finden ein wahres Feuerwerk der Ideen vor, das sich auf den Kern des Genres fokussiert. Die Spielwelt wurde mit so vielen guten Einfällen angereichert, dass praktisch jeder Level ein neues Highlight bietet und neue Fertigkeiten abfragt. Darüber hinaus gibt es genug (aber nicht ausufernde) Bonus-Aufgaben, um in alte Welten zurückzukehren und die 100% zu knacken. Abgerundet wird das durch einen spaßigen Koop-Modus, in dem man Bowser gemeinsam bezwingen kann. 2. Into the Breach (Android, 2018) Dieser Indie-Megahit der rundenbasierten Strategie wurde für praktisch alle Konsolen veröffentlicht, bietet sich aber besonders mobil auf Tablet (z. B. über Netflix-Gaming) oder Switch an. In Into the Breach werden Elemente aus Rundenstrategie, Roguelike und RPG verknüpft, um eine dreiköpfige Crew von Mechwarriorn auf das Schlachtfeld gegen eine außerirische Bedrohung zu schicken. Jeder Mech hat verschiedene Fähigkeiten, lässt sich ausrüstungstechnisch erweitern und die Piloten erhalten ebenfalls Erfahrung, um zusätzliche Fähigkeiten zu erwerben. Ein Scheitern bedeutet allerdings das sofortige Aus - ihr dürft nur einen einzigen Piloten mitsamt seiner Erfahrung zum nächsten Neustart retten. Dieses Spielprinzip geht so gut auf, dass man es als moderne, komplexe Variante von Schach interpretieren kann: einfach zu lernen, schwer zu meistern. Sind die Regeln verstanden, lässt das Spiel einen nur schwer wieder los. Der Pixel-Look und die Soundkulisse schaffen eine übersichtliche und spannende Atmosphäre. Unbedachte Aktionen werden gnadenlos bestraft und schicken einen zurück zum Start. Toller Mix aus simplem, aber anspruchsvollen Gameplay. 1. Ghost of Tsushima (PS4, 2020) Ich stehe ja ein bisschen auf Kriegsfuß mit Open World Spielen. Seit Horizon Zero Dawn und vor allem Red Dead Redemption 2 ist das Genre für mich auserzählt und hat sich in einer überbordenden Ansammlung von Quest-Icons auf einer erschlagenden Weltkarte verloren, die zu wenig Spiel und zu viel Abarbeiten eines Aufgabenkatalogs geworden ist, das hin und wieder mit Cutscenes aufgelockert wird. Zeitintensiv, anstrengend und in den eigentlichen Spielmechaniken völlig uninspiriert. Ghost of Tsushima macht nicht alles anders, bietet mir aber genug Pluspunkte, um die genannten Schwächen aufzuwiegen: Zunächst einmal gestaltet sich die zu erforschende Welt als weniger erschlagend, da sie durch natürliche Wegweiser wie markante Berge, Rauchsäulen oder bspw. Leuchttürme Orientierung bietet. Ein Blick an den Horizont reicht meistens schon. Dazu hat man weitgehend auf ein HUD verzichtet. Anstelle von Questmarkern und Pfeilen, folgt man dem Wind oder wird von der Tierwelt auf wichtige Orte aufmerksam gemacht. Punkt 2 ist das für einen Mainstream-Titel relativ elaborierte Kampfsystem. Im Kontrast zu dem holprigen Gekloppe bei Horizon oder den 0815-Ballereien bei Rockstar Games erweist sich das Katana als filigran kontrollierbar und mit weiteren Zusatzmoves sinnvoll ergänzbar. Zusätzlich sind auch die Stealthmöglichkeiten vielfältig, sodass verschiedene Spielstile zum Erfolg in den Kämpfen führen. Außerdem sind Story und Sidequests zwar erwartbar episch, aber in einem übersichtlichen Umfang vorhanden, der von allen Gamern komplettiert werden kann. Auf plumpe Fetch-Quests weitgehend wurde verzichtet, alle optionalen Missionen bieten schön inszenierte Geschichten mit Charakteren, die ein gewisses Maß an Tiefe erhalten. Schlussendlich ist dann noch das Setting hervorzuheben: nicht, dass ich Western nichts abgewinnen könnte und die Story von bspw. Horizon nicht bombastisch inszeniert wäre. Aber das feudale Japan mit goldenen Laubwäldern, meterhohem Bambus und Samurai wurde noch nie so detailreich in einem Spiel dargestellt. Dazu kommen ein stimmungsvoller Soundtrack sowie viele Anspielungen für Filmfans (es gibt sogar einen Kurosawa-Modus mit schwarz-weiß-Grafik). Eine tolle Spielerfahrung, die ich dank des DLCs Iki Island sicher dieses Jahr wieder besuchen werde.

  • Comic Guide: Teenage Mutant Ninja Turtles

    Die Ninja Turtles waren in den vergangenen Monaten wieder in aller Munde. Fans der kämpfenden Kröten konnten zwei große Gaming-Highlights feiern: nicht nur ist mit Return of the Shredder ein von Fans und Presse gelobtes Beat 'em Up erschienen, das spielerisch an die Erfolge der frühen Neunziger anknüpft. Mit der Cowabunga-Collection erschien außerdem eine vollumfängliche Sammlung dieser älteren Klassiker aus Arcade und Heimkonsolen. Als wäre das nicht genug, gibt es mit "Rise of the TMNT" (2022) einen neuen Animationsfilm bei Netflix. In Deutschland relativ wenig Beachtung finden hingegen die Comics, die in den USA von IDW veröffentlicht werden und von Panini nur teilweise lokalisiert und bald darauf eingestellt worden sind. Extrem schade, denn dies ist eine der aktuell besten Action/Superhelden-Reihen, die den Pfad der ursprünglichen Mirage-Comics vor der populären 90er-Animationsserie aufnimmt und weiterführt. Was wäre meine Kindheit ohne die Turtles gewesen? Jeden Samstag auf RTL verteilten in den 90ern vier pizzaverrückte Schildkröten und ihr Sensei, die Ratte Splinter, Karate-Kicks an die Superschurken von New York City. Eine Prämisse, die weit von Bodenständigkeit entfernt ist und wahrscheinlich bei vielen Eltern großes Stirnrunzeln erzeugt hat. Neben der Serie und den später durchaus gelungengen Realfilmen (ok, es geht von Teil eins bis drei nicht gerade bergauf) war vor allem das Spielzeug der Hammer. Die superhochwertigen Actionfiguren sind auch heute noch ein Maßstab. Man denke allein an den Pizzawerfer, einen Panzerwagen, der mit Pizza als Munition beladen wurde und diese unter einem Heidenlärm 3m weit abfeuern konnte. Über die Geschichte der Turtles möchte ich nicht allzu viele Worte verlieren: Wichtig ist, dass sie auf einer 1984 gestarteten Independent-Comicserie basieren. Diese wurde von den Kumpels Peter Laird und Kevin Eastman als Parodie auf populäre Superhelden angelegt und als Schwarz-Weiß-Print in Kleinstauflage veröffentlicht. Wichtigstes Vorbild war hierbei Daredevil. In der Geschichte kämpfen vier mutierte antropomorphe Schildkröten im Stile fernöstlicher Kampfkunst gegen einen Superverbrecher namens Shredder. Ursprünglich als One-Shot angelegt, folgten weitere Fortsetzungen, die in der zweiten Hälfte der 80er zu einem Megaerfolg avancierten: mit dem Start einer (deutlich kindgerechteren) Animationsserie (1987-1996) und der dazu passenden, legendären Actionfiguren-Linie schwappte die Schildkrötenwelle auch nach Europa. Kinofilme und weitere TV-Serien folgten, parallel dazu weitere Comics, die stärker auf der TV-Serie basierten und nicht mehr von Eastman und Laird stammten. Da die beiden Schöpfer sich bitterböse zerstritten, wurde mit den Turtles lange Zeit ein ziemlicher Ausverkauf ohne klaren roten Faden betrieben. 2011 erwarb dann der amerikanische Verlag IDW Publishing die Rechte und wagte den Neuanfang. Deutlich näher an der ursprünglichen Vorlage gehalten und mit Schöpfer Kevin Eastman an Bord, mündete dieser Versuch in einer starken Hauptreihe, die bis heute andauert und sogar Crossover mit u. a. Batman bietet. Aus meiner Sicht verbindet die Reihe alle Stärken der originären Mirage-Comics, der ersten Zeichentrickserie und des ersten Kinofilms: düstere Großstadtkulisse, Ausflüge in andere Dimensionen, Mutanten mit dem Herz am rechten Fleck und die Extraprise fernöstliche Folklore. Der Humor kommt dabei nie zu kurz, ohne dass die Serie gewollt witzig sein will und in Klamauk ausarten würde. Mirage Comics: Das Original von Eastman und Laird Die erste Comicserie von 1984, die independent in Schwarz-Weiß-Heften veröffentlicht wurde, handelt primär vom Kampf gegen Shredder und den Foot Clan - hinzu kommen Killerroboter, Triceratops-Aliens und der Wissenschaftler Baxter Stockman, der auch aus der Zeichentrickserie bekannt ist. Dankbarerweise wurde die Serie bei IDW als "The Ultimate Collection" neu aufgelegt (Paperback und Hardcover). Diese enthält neben der Hauptstory die sogenannte Micro-Series: One-Shots, die sich um einzelne Hauptcharaktere drehen und persönliche Hintergrundgeschichten bieten. Besonders schön: Zwischen den Kapiteln gibt es ausführliche Notizen der Schöpfer über den kreativen Entstehungsprozess, die sich kein Fan entgehen lassen sollte. Auch Lesern, denen der alte Zeichenstil zu trocken sein könnte, rate ich gerade aufgrund dieses Extras unbedingt zum Kauf! Die Ultimate Collection besteht aktuell aus sechs Bänden, der siebte Band soll im Februar 2023 erscheinen. Alternativ erden die Stories auch nachkoloriert als "TMNT Color Classics" aufgelegt. Tales of the Teenage Mutant Ninja Turtles: Mirages Zugabe In "Tales of the TMNT" finden sich Geschichten, die ab 1987 als Ergänzung der Mirage Abenteuer erdacht worden sind. Zu Beginn federführend von Eastman und Laird. Artstyle und Storytelling entsprechen daher anfangs der Vorgängerserie, bevor dann andere Künstler das Ruder übernehmen. Charaktere wie Leatherhead oder der Rattenkönig wurden hier initial eingeführt. Ich persönlich bin kein großer Fan der Cover-Artworks und noch nicht zur Lektüre dieser Serie gekommen, von der es acht Bände gibt. Die Etablierung bekannter Schurken macht sie aber attraktiv und ein Blick in den ersten Band sieht vielversprechend aus. Interessant ist außerdem, dass hier u. a. das Comic-Schwergewicht Rick Remender (Black Science, Deadly Class) als Autor und Zeichner tätig war. Teenage Mutant Ninja Turtles Classics In dieser, etwas seltener zu findenden, Classics-Collection gibt es eine Zusammenstellung diverser Kurzgeschichten von verschiedenen Künstlern - nach allem, was ich gelesen habe, schwankt nicht nur die Qualität, sondern es gibt auch Redundanzen, da einige der Stories auch in anderen Ausgaben erschienen sind (primär in den "Tales of the TMNT"). Mir war es bisher keinen Kauf wert, mich persönlich zu überzeugen, da die Leserreviews ein sehr gemischtes Bild zeichnen (mit vielen Tendenzen nach unten). Dieses negativ behaftete Bild zieht sich leider durch alle Bände des "Classics"-Labels. Nicht verwechseln darf man diese Ausgaben mit den "Black & White Classics" und "Color Classics", die Inhalte unterscheiden sich! Archie Comics: Turtles Adventures Diese Reihe aus den frühen 90ern orientiert sich stärker an der TV-Serie und ist etwas kindgerechter als die Mirage Comics. Dennoch winken einige fast schon bizarre Storylines mit seltsamen Charakteren wie z. B. Cudley, der transdimensionalen Kuh oder Wyrm, der aus einem norwegischen Wurm mutiert ist. Kenner der Actionfiguren werden hier bekannte Gesichter treffen. Auch diese Serie wird bei IDW unter dem gleichen Titel in Sammlungen verkauft, von denen es 16 Bände gibt. Aus meiner Sicht bietet diese Serie einige kuriose Abenteuer und hat einen wunderbaren 90er-Charme, ist aber kein empfehlenswerter Einstieg. Als Zusatzlektüre bietet sie einzigartige Unterhaltung mit skurrilen Abenteuern, ist aber nicht durchgängig von hoher Qualität. In Deutschland wurden die Adventures bei Condor verlegt, diese Ausgaben gibt es zum kleinen Preis z. B. bei Ebay zu finden. Außerdem sind in den Condor-Ausgaben Stories von britischen Künstlern enthalten, die ausschließlich für den europäischen Markt bestimmt waren. IDW Publishing: Der große Reboot Der 2011 bei IDW gestartete Reboot der Turtles ist der Startschuss der Serie, die bis heute läuft und in über 130 Ausgaben sowie zahllosen Spin-Offs mündete. Die Comics bedienen sich der leicht rauen, aber humorvollen Tonalität der Original-Comics, Eastman ist künstlerisch mit an Bord und die Zeichnungen sind wunderbar "gritty". Charaktere erhalten Tiefe und neben alten Bekannten wie April und Casey Jones kommen neue Helden und Schurken hinzu, die das Universum bereichern. Herauszuheben ist die mutierte Schneefüchsin Alopex, die ein bisschen den Wolverine der Turtles-Comics darstellt und zum großen Fanliebling wurde. Erzählerisch ist toll, dass man wie bei den Mirage Comics den Kniff benutzt, parallel zur Hauptstory sogenannten Micro-(und Macro)-Stories zu veröffentlichen, die sich um jeweils einen Protagonisten oder eben Antagonisten drehen. Diese Spin-Offs gehören zu den großen Highlights, denn wer wollte nicht schon immer die Backstory von Krang erfahren und miterleben, wie bedrohlich die anarchischen Handlanger Bebop und Rocksteady sein können, wenn man sie ungehindert walten lässt? Die Micro-Ausgaben sind ein Must-Have zum Lesestart. Da die Reihe in Deutschland nach 10 Bänden 2016 eingestellt wurde (entspricht #1-28), empfiehlt sich eine von zwei Arten, hierzulande an ihr teilzuhaben: entweder man greift zur "IDW Collection", die die Hauptserie und Micro-Series in aktuell 14 Bänden vereint (auch sehr schicke Hardcover) oder man nutzt digitale Kanäle, also entweder die IDW-App oder Comixology. Ich bin nicht (mehr) der größte Comixology-Freund, aber die IDW-App ist so unterirdisch, dass ich sie niemandem guten Gewissens empfehlen kann. Bei Comixology lassen sich einige Ausgaben kostenlos herunterladen - unbedingt mal reinschauen. Generell ist diese Reihe mit der #1 von 2011 neben den Mirage Comics der empfehlenswerteste Einstieg. Einen Überblick über die ersten Events und Reading Order findet ihr hier: Bonus: Die besten Spin-Offs Turtles in Time: Namentlich an den bekannten SNES-Klassiker angelehnt, verschlägt es die Turtles auf eine Reise in die Vergangenheit quer durch verschiedene Epochen mit Dinosauriern, Piraten und Samurai. Abwechslungsreich, da jede Zeitebene von anderen Künstler*innen verwirklicht wird. Turtles vs. Batman: Hiervon gibt es drei Volumes, die alle von James Tynion IV. geschrieben wurden. Diese werden in deutscher Sprache bei Panini vertrieben. Bebop & Rocksteady Hit the Road: Zwei der abgefahrensten und brutalsten Charaktere im Turtles-Universum auf einem Road Trip im Wettlauf gegen die Zeit. The Secret History of the Foot Clan: Wichtige Bereicherung der Turtles-Lore - der Titel hält, was er verspricht. Shredder in Hell: Was ist nach Oruku Sakis Tod mit ihm geschehen? Wie konnte er als Shredder auf die Erde zurückkehren? Origin-Story des Hauptwidersachers. Jennika: In dieser Story geht es um das ehemalige Elite-Mitglied des Foot-Clans namens Jennika und wie sie zu einem weiteren Mitglied der Turtles wurde. TMNT/Ghostbusters: Das Aufeinandertreffen der legendären 4er-Gruppen in New York City ist ein Wirklichkeit gewordener Traum aller 80s- und 90s-Kids! The Last Ronin: Diese Koproduktion von Eastman, Laird und Tom Waltz wurde in den höchsten Tönen gelobt und verschlägt uns in eine postapokalyptische Zukunft, in der ein einsamer Schildkröten-Ninja nach Gerechtigkeit sucht. Must-have! Neben den vorgestellten Reihen existieren außerdem Comics, die auf den Nickelodeon-Serien basieren. Primär die "Amazing Adventures" und "TMNT Animated" gehören hierzu. Sie richten sich an ein deutlich jüngeres Publikum, haben mit Sicherheit ihre Berechtigung, aber werden generell nicht als Kanon betrachtet. Ich hoffe, dass ihr einen ersten guten Überblick erhalten habt. Dieser hierzulande leider unterschätzte Superhelden-Comic ist in seinen Story Arcs und Spin-Offs deutlich stringenter und oft auch qualitativer als vieles von Marvel und DC. TMNT bietet ein koherentes Universum, spannende Story Arcs mit großen, aber nicht überbordenden Events und kreative Charaktere mit Tiefe in einer erwachsenen Aufmachung. Deutlich weniger Ausschuss als bei herkömmlichen Superhelden, weniger verwirrende Überschneidungen mit parallelen Serien und eine Reading Order, für die man keinen Doktortitel benötigt. Selbst Komplettisten brauchen keine Angst vor dem Nervenzusammenbruch haben, eine vollständige Sammlung wäre ein zwar ein sehr ambitioniertes, aber durchaus mögliches Ziel. Den einfachsten ersten Eindruck erhaltet ihr, wie schon erwähnt, bei Comixology, wo ihr einige Ausgaben kostenlos lesen könnt. Also: packt die Nunchakus ein, schnappt euch ein Stück Pizza und begebt euch in die Kanalisation!

bottom of page