Meine Top 10 Comic First Reads bestehend aus aktuelleren Werken und Bänden vom Lesestapel, die mich 2023 am meisten begeistert haben.
Diese Einseitigkeit ist mir fast peinlich, aber im letzten Lesejahr stechen besonders zwei Namen so stark hervor, dass man mir einen beschränkten Comichorizont unterstellen könnte: Batman und Tom King, teils sogar in Kombination. Dabei habe ich durchaus auch anderes gelesen, aber diese sorgten regelmäßig für die Highlights. Auch Jeff Lemire kommt mit den beiden modernen Klassikern Gideon Falls und Descender doppelt vor.
Insgesamt stand mein Lesejahr im Zeichen von Veröffentlichen der Major-Verlage aus den letzten zehn Jahren, so konnte ich auch zum ersten Mal Batman: Hush lesen (im neuen Hardcover Deluxe Band, der mich unter dem Christbaum begrüßte). Auch Doomsday Clock und alles rund um Infinite Frontier, Shadow War und Dark Crisis habe ich allesamt verschlungen. Letzteres Megaevent war mein Flop des Jahres und ich hoffe, dass der anstehende Dawn of DC das Niveau wieder anhebt.
Von den eben genannten abgesehen, möchte ich noch folgende Comics herausstellen:
Der Manga Sakamoto Days ist eine erfrischende Crime-Parodie über den Beruf des Profikillers. Mit viel Humor und coolen Zeichnungen, die sich vom Mangastandard abheben. Habe bislang den ersten Band gelesen und werde dran bleiben.
Weiterhin haben mich die Manga Berserk, Blue Giant Supreme und Rooster Fighter bestens unterhalten - sind aber auch Serien, die ich schon mindestens seit dem Vorjahr lese und die Top-Titel 2023 möchte ich für Starts oder Abschlüsse reservieren.
Der bei Cross Cult erschienene, abgeschlossene Band God Country von Donny Cates war ebenfalls stark und eine fantasievolle Geschichte über Demenz und den Umgang mit ihr - aber meine Erwartungen waren nach einigen Reviews sehr hoch und ich finde God Country "nur" ziemlich gut.
Auch bei Star Wars habe ich mich ausgetobt und vor allem Doctor Aphra (1. Serie) weitergelesen, was zum besten der Star Wars Comics gehört. Der Sonderband Darth Vader Dark Visions hat mich ebenfalls überzeugt. Obwohl er eher durchwachsene Kritiken erhalten hat, fand ich diese Anthologie zum dunklen Jedilord wirklich gelungen und abwechslungsreich.
Ebenfalls genannt werden sollte die letzte Paperback-Reihe zu Wonder Girl, die 2022 bei Panini erschienen ist. Besonders wenn Autorin Joelle Jones auch selbst den Zeichenstift in die Hand nimmt, ist jede Seite ein wahres Kunstwerk. Wahnsinnig toll koloriert und ein echter Superheldinnen-Geheimtipp.
Um noch einen kleinen Ausflug ins Marvel-Universum zu wagen (auch wenn es ein älterer Band ist): Silver Surfer: Requiem von JMS bietet einen klasse aufbereiteten Band in vier Kapiteln, der den kosmischen Wellenreiter auf einer tragischen Reise nach Hause begleitet.
Zuletzt war auch die Lektüre von Plot Holes ganz interessant. Zeichner Sean Murphy, der besonders durch Batman: White Knight populär geworden ist, ist hier auch als Autor tätig. Das Visuelle ist auf Topniveau und sprudelt vor Ideen, die Multiversums-Story selbst habe ich so ähnlich aber schon besser gesehen (z. B. Black Science) und wirkte etwas chaotisch.
Nun aber zu den besten 10 Comics, die ich 2023 gelesen habe.
10. Batman - One Bad Day: Mr. Freeze by Gerry Duggan (Panini, 2023)
Unter den aktuellen DC Veröffentlichungen sorgte besonders die Reihe One Bad Day für Gesprächsstoff, in der Widersacher*innen von Batman im Stile von The Killing Joke eine ausführliche Backstory erhalten hat. Gerry Duggan und Matteo Scalera nahmen sich Mr. Freeze an und liefern eine optisch wunderschöne, eiseskalte Geschichte voller Tragik und konnten dem verlorenen Wissenschaftler damit Tiefe verleihen.
Auch wenn die Veröffentlichung im Albumformat für mich streitbar ist, da sich Kosten und Lesedauer kaum die Waage halten, war dieser Band der herausragendste aus dieser Topreihe aus dem letzten Jahr.
9. Batman Catwoman by Tom King (Panini, 2021-2022)
Wenn Tom King und Christopher Nolan eine Gemeinsamkeit haben, dann ist es deren Leidenschaft für das Spiel mit der Zeit und Erzählen auf verschiedenen Zeitebenen. Bei Batman Catwoman treibt es Herr King auf die Spitze und erzählt parallel in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft so dynamisch, dass die Zeiten fast ineinanderfließen - zu Beginn ziemlich verwirrend, da es zu Wechseln alle 2-3 Seiten kommt. Hat man sich erst einmal dran gewöhnt, macht der Stil süchtig und lässt einen nicht los.
On Top gibt es großformatige Zeichnungen im opulenten Superheldenstil mit kräftigen Farben, spannenden Perspektiven und Liebe zum Detail von Clay Mann.
8. Batman: Hush by Jeph Loeb (Panini, 2022)
Ein moderner Klassiker: Topautor Jeph Loeb und Starzeichner Jim Lee haben mit Hush ein Stück Batman-Historie geschaffen.
Auch wenn die Story sehr episodisch und formelhaft ist, ist sie ein besonders gutes Beispiel für gelungene Superheldencomics mit längeren Story Arcs. Und gleichzeitig eine Art Best of Gotham City, denn die Figuren aus der Stadt des dunklen Ritters geben sich Kapitel für Kapitel die Klinke in die Hand.
Besonders schön ist die Neuveröffentlichung in der Deluxe Edition von Panini, die sich gut bei mir im Regal macht und mit einigem Bonusmaterial daherkommt.
7. Mister Miracle by Tom King (Panini, 2019)
Einerseits ist das, was ich hier gelesen habe, schon fast "typisch Tom King", andererseits genau das, weshalb ich ihn so mag: Eine DC-Figur aus der dritten Reihe wird zum Mittelpunkt einer vertrackten Story voller Intrigen, kollidierenden Interessen und Verrat. In diesem Fall ist es Entfesselungskünstler Scott Free. Ich finde es immer beeindruckend, wie King es schafft, die Charaktere in wenigen Kapiteln in ein Netz aus Beziehungen zu werfen, Hintergründe hinzuzufügen und immer wieder neue Bälle ins Rollen zu bringen. Mister Miracle wirft uns in eine Tragödie mit Shakespeare-esken Zügen, in der man nie weiß, was als nächstes kommt.
Die Zeichnungen von Mitch Gerads mit dem gewohnt strukturierten King-Paneling geben der Story viel Raum und Übersicht.
Und was soll ich sagen, ich liebe es, wenn am Ende- der Kapüitel das Schlusswort fällt: "Mister Miracle - Entfesselungskünstler!".
6. Turtles: The Last Ronin by Eastman, Waltz & Laird (IDW, 2022)
Als ich im Januar 2023 diesen Band von IDW gelesen hatte, war ich noch nicht im Bilde, dass Splitter diese Reihe noch im gleichen Jahr nach Deutschland holen wird. Und es ist ein begrüßenswerter Schritt, denn die dort seit 2011 laufende Serie mit vielen Spin-Offs ist ein echtes Action-Highlight.
Eines der größten Spin-Offs dieser Art ist The Last Ronin, das uns in eine dystopische Zukunft entführt, in der ein Nachkomme des Shredder die Stadt terrorisiert und ein einziger verbliebener Turtle auf Rache sinnt. Rückblicke geben Aufschluss darüber, wie es zu diesem Status-quo - besonders cool ist, dass diese Blicke in die Vergangenheit vom Schöpfer Kevin Eastman persönlich gezeichnet werden und stilistisch an die Ur-Serie aus den 80s mit Schwarz-weiß-Look anknüpfen. Alles in allem ein Must-read für Turtles-Fans.
5. Strange Adventures by Tom King (Panini, 2021-2022)
Weltraum-Held Adam Strange, der als Erdenbürger den Planeten Rann beschützt, kommt in Erklärungsnot: Er wird Hauptverdächtiger in einem Mordfall. Er und seine Frau überlegen, wie sie damit umgehen und setzen Mr. Terrific darauf an, den Fall aufzuklären, um Transparenz zu schaffen. Doch es erscheinen immer mehr Zweifel an der Integrität von Strange...
Neben der genannten Story geben uns ausführliche Rückblicke Aufschluss über die Vergangenheit von Adam Strange als Kriegskommandant auf Rann. Beide Zeitebenen werden unterschiedlich illustriert, teils von Mitch Gerads, teils von Evan "Doc" Shaner. Beide stehen sich in Nichts nach und bieten sehr unterschiedliche Stile, die trotzdem gut zusammenpassen. Die Story ist typisch Tom King: Verstrickungen, Zeitsprünge im Storytelling, Enthüllungen - wie ein richtig guter Krimi eben, nur in einem erfrischenden Superhelden/SciFi-Setting.
4. Gideon Falls by Jeff Lemire (Splitter, 2019-2021)
Vor vielen Jahren hatte ich ein Heft der Image Firsts in der Hand und konnte dort das erste Kapitel von Gideon Falls lesen. Mir war sofort klar, dass ich diese Story eines Tages fortsetzen möchte und 2023 war es soweit.
Pater Fred kommt als neuer Pfarrer in die Kleinstadt Gideon Falls, in der sich mysteriöse Geschichten um eine schwarze Scheune drehen. Parallel dazu begleiten wir den psychisch Kranken Norton, der in einer Großstadt zwanghaft Müll sammelt und von Visionen heimgesucht wird.
Ein Mysterythriller, der zwischen Akte X und Stranger Things zu verorten ist und mal geerdetes Charakterdrama und mal übernatürlichen Horror bietet. Gideon Falls ist so spannend wie die besten HBO-Serien und lässt einen nicht los. Besonders gelungen ist der Umgang mit den Panels, in denen so kreative Spielereien geschehen, dass einem schwindelig wird. Für mich ist Gideon Falls ein moderner Klassiker und sollte nicht nur von Genrefans gelesen werden.
3. Descender by Jeff Lemire (Splitter, 2016-2019)
Eine weitere große Reihe von Jeff Lemire, die mich seit Jahren mit ihren tollen Coverbildern im Comicladen angelächelt hat. Descender ist eine SciFi-Saga, in der Roboter verfolgt und verschrottet werden, obwohl sie einst Seite an Seite mit den Menschen existierten. Die Geschichte stellt uns an die Seite vom kleinen Androiden Tim-21, der einst als Spielkamerad des Jungen Andy konzipiert wurde und in den weiten der Galaxis seinen Bruder sucht.
Neben der tollen visuellen Anmutung der Aquarellbilder sind es vor allem die vielen sympathischen Charaktere, die mich begeistert haben. Deren Handlungsstränge greifen wie Zahnräder ineinander und entwickeln im Laufe der sechs Bände eine tolle Dynamik.
2. The Amazing Screw-On Head and Other Curious Objects by Mike Mignola (Dark Horse, 2010)
Dieser Band lag jahrelang ungelesen in meiner Dark Horse App und Schande über mein Haupt, dass mir nicht klar war, was hier für ein Glanzstück der Comickunst verborgen war.
Wie der Titel schon verrät, geht es nicht nur um den erstaunlichen Draufschraub-Kopf, sondern es gibt noch weitere Kurzgeschichten, so z. B. "Die Schlange und der Zauberer". Alle Geschichten sprühen vor kreativen Einfällen und leicht morbidem Humor, wie man ihn von Mignola gewohnt ist. Die Titelstory hat er übrigens gemeinsam mit seiner damals vierjährigen Tochter konzipiert, was diese zur wohl jüngsten Eisner-Award Gewinnerin aller Zeiten macht.
The Amazing Screw-on Head ist nicht einfach "noch eine Mignola-Kurzgeschichte", sondern eines der elementaren Werke von ihm.
1. Human Target by Tom King (Panini,2022-2023)
Human Target ist eine dieser DC Figuren, die nur ganz eingefleischten Fans etwas sagen. Kurioserweise gab es ausgerechnet zu dieser 2010 eine TV-Serie bei Fox, die aber ziemlich untergegangen ist. Dabei geht es um den Auftragsleibwächter Christopher Chance, der in fremde Identitäten schlüpft und sich selbst zum Ziel anstehender Terroranschläge und Mordversuche macht. Praktisch ein Überlebens- und Verkleidungskünstler, der Kapital aus seinen Talenten schlägt. Nachdem er eines Tages einen Auftrag für Lex Luthor annimmt, wird er schwer vergiftet und schwebt selbst in Lebensgefahr. Ihm bleiben nur noch wenige Tage, um seinen eigenen Mordfall aufzuklären...
Auch wenn es deutliche Parallelen zu Kings Werken Mister Miracle und Strange Adventures gibt, hat mir sein Stil in diesem Fall am besten gefallen. Künstlerisch konsequent mit grellen Farben im Wachsmalstil von Greg Smallwood umgesetzt, geht es für mich kaum besser. Der einzige Wermutstropfen ist, dass ich nur den normalen Paperback im Regal stehen habe, obwohl ein noch schöneres Hardcover erschienen ist. Man kann nicht alles haben.
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