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  • Review: Ultimate Spider-Man 1

    Das Ultimate Universum wurde anno 2000 von Marvel gestartet, um einerseits neuen Leser*innen einsteigerfreundliche Reihen zu bieten, für die man keine jahrzehntelange Vorbildung brauchte und andererseits spannende alternative Versionen der bekannten Figuren zu schreiben. Prominentester Superheld aus diesen Tagen ist sicherlich der damalige Ultimate Spider-Man Miles Morales. Aber auch die Fantastic Four, Iron Man und die Ultimates, quasi das Pendant zu den Avengers, konnten im Ultimate Universum jahrelang begeistern. Schauplatz von alldem war zunächst die Erde 1610, von der nach Events wie Cataclysm (2013) und Secret Wars (2015) nichts mehr übrig war, sodass wir nicht nur alle Charaktere aus diesem Universum verloren hatten (bis auf u. a. Miles Morales) , sondern auch alle zugehörigen Heftserien eingestellt wurden. 2023 erschien dann in den USA die vierteilige Heftserie Ultimate Invasion von Jonathan Hickman. In ihr kreiiert der Maker, alias der böse Reed Richards von Erde 1610 mithilfe einer Höllenmaschine namens Immortus Engine das neue Ultimate Universum nach seinen Vorstellungen. Damit ist Erde 6160 (Vorsicht Zahlendreher) am Start und der Weg für neue Ultimate-Serien geebnet. Hickman, der mit der Krakoa-Ära der X-Men bewiesen hat, wie gekonnt er verschachteltes Worldbuilding betreiben kann und Leser*innen selbst in komplexeste Welten entführen kann, war prädestiniert für das Projekt. In Deutschland hat nach besagter Ultimate Invasion nun die ultimative Spinne aus der Nachbarschaft Hallo gesagt und wurde als Paperback mit der Nummer 1 mit dem Titel „Familienvater“ bei Panini veröffentlicht. Für die nächsten Titel Ultimate X-Men (Peach Momoko), Ultimate Black Panther (Bryan Edward Hill) und Ultimates (Deniz Camp) standen bis dato noch keine deutschen Releasetermine fest. Also widmen wir uns zunächst dem deutschen Band Nummer 1 von Ultimate Spider-Man . Peter Parker lebt mit Frau Mary Jane und seinen Kindern Richard und May in Uptown Manhattan. Er wurde nie von einer Spinne gebissen, trägt Vollbart und arbeitet als Reporter für die Tageszeitung Daily Bugle - das Medium, das geführt wird vom Duo Jonah Jameson und Ben Parker. Eines Tages kommt es beim Bugle zu einer Neuausrichtung: Auf den Druck von Werbekunden soll die kritische Berichterstattung angepasst werden. Zunächst rebelliert Jonah und schmeißt das Handtuch, kurz darauf auch Ben Parker. Eigentümer Wilson Fisk füllt das Machtvakuum und sorgt für einen harten Kurs innerhalb der Zeitung. Peter gerät zwischen die Fronten: Er bewundert das Rückgrat seiner Mentoren, aber ist auf den Job beim Daily Bugle angewiesen, um Geld zu verdienen. Parallel dazu hadert er mit seiner Selbstverwirklichung und hat vor kurzem ohnehin eine außergewöhnliche Erscheinung erlebt: In seiner Wohnung erschien des nachts eine holografische Botschaft von Anthony Stark aus einem Paralleluniversum. Er erzählt Peter von einer manipulierten Zukunft und hinterlässt ihm ein geheimnisvolles Paket. Rein visuell möchte ich den Vergleich zur letzten Eröffnung von Amazing Spider-Man heranziehen, bei der John Romita Jr. den Bleistift geschwungen hat. Der vorliegende Ultimate Spider-Man Band differenziert sich angenehm von dieser Reihe: Kantiger, grobstrichiger, weniger cartoony und rauher kommen die Zeichnungen daher. Das gefällt mir nicht nur subjektiv besser und sieht wirklich gut aus, sondern passt auch gut zur Positionierung und Abgrenzung des Ultimate Universums. Zeichner Marco Checchetto hat hier grandiose Arbeit abgeliefert und auch die Kolorierung von Matthew Wilson rundet das Gesamtbild gut ab. Zwei der sechs Kapitel wurden ersatzweise von David Messina gezeichnet - er unterscheidet sich stilistisch zwar nicht grundsätzlich von Checchetto, arbeitet Figuren und Hintergründe aber weniger detailliert aus, was im direkten Vergleich leider abfällt. Die Kolorierung sorgt dafür, dass die optische Anmutung hier nicht zu sehr aus der Reihe tanzt. Insgesamt ist Ultimate Spider-Man Band 1 ein hervorragender Auftakt. Ultimate Invasion konnte als Opener des Universums rund um Erde 6160 bereits einen soliden Eindruck machen, aber Hickman brilliert mit Spider-Man noch eine Ecke mehr. Es macht einfach Spaß, Peter Parker zuzusehen, wie er den Spagat aus Spinnenmann und Familienpapa hinbekommen will, sich in Geheimniskrämereien verstrickt und mühsam die ersten Kämpfe bestreitet. Noch wichtiger ist allerdings, dass alle Charaktere und Plotlines schön ausdefiniert sind: Harry Osborne ist ambivalent, ein bisschen gefährlich und unberechenbar, aber in seinen Motiven durchaus nachvollziehbar. Mit der abgehobenen Superunternehmerin Gwen Stacy an seiner Seite bekommen wir ein abgehobenes, leicht wahnwitziges, aber reizvolles Pärchen vorgestellt. Aktuell ist noch nicht absehbar, wohin deren Reise führen wird. Auch der Sideplot über die Mediengründung von Jonah und Onkel Ben funktioniert ebenso gut wie das Familiendrama im Hause Parker. Die Dynamik zwischen Jonah und Ben ist unterhaltsam und mt den idealistischen Journalisten mag man sich gerne identifizieren - auch wenn sie nicht immer eine Linie fahren, teilen sie die gleichen Prinzipien. Und in einer Welt, in der Jeff Bezos die Washington Post gekauft hat und nun untersagt, dass die Zeitung trotz jahrzehntelanger Tradition keine Empfehlung zur Präsidentschaftswahl abgibt, ist das Dilemma des Daily Bugle gar nicht weit hergeholt. Ich hoffe sehr, dass es so erfrischend weitergeht mit Ultimate Spider-Man und freue mich auf die folgenden Reihen in den kommenden Monaten. Also fingers crossed, dass die Verkäufe Panini dazu motivieren auch die weiteren Abenteuer auf Erde 6160 nach Deutschland zu bringen.

  • Nippon Connection 2024 - Meine Highlights des japanischen Filmfestivals

    Zum dritten Mal habe ich das japanische Filmfestival Nippon Connection in Frankfurt besucht. Als Fan der fernöstlichen Filmkultur schon ein Pflichtbesuch für mich geworden, auch 2025 werde ich sicherlich hinfahren. Was die Nippon Connection so besonders macht, ist der einzigartige Mix aus Filmveranstaltungen und kulturellem Ra(h)menprogramm (sorry, dieses schlechte Wortspiel ist genauso verpflichtend wir ein Stop am Onigiri-Stand vor dem nächsten Film). Neben Deutschland- und Europapremieren werden auch Klassiker wiederaufgeführt, es gibt Anime, Kurzfilme, Dokumentarfilme. Rund 100 Filme gab es in diesem Jahr in 6 Tagen zu sehen, da will jeder Ticketkauf gut abgewägt sein. Dazu gibt es diverse Snacks und Leckereien der japanischen Küche von Takoyaki über Matcha-Eiscreme bis zu Okonomiyaki. Oishi desu ne! Wer nebenbei etwas über Kalligraphie, traditionelle Trommelmusik oder die Kunst Kirigami lernen möchte, findet unzählige Workshops, Seminare und Konzertveranstaltungen (besondere Hits sind Rudel-Karaoke und Radiogymnastik). Wenn ich überhaupt negatives zur Nippon Connection berichten kann, dann dass es leider nicht möglich ist, mehr als wenige Prozent des Portfolios mitzuerleben. Der Terminkalender will gut gepflegt sein und jede Zusage beinhaltet einen Programmpunkt, den man verpassen wird. Im Mittelpunkt dieses Berichts stehen nun die Filme, die ich dieses Jahr gesichtet habe. Acht an der Zahl waren es an den vier Tagen, die ich vor Ort war, wobei die Animequote mit drei Filmen dieses Mal besonders hoch war. Blue Giant (2023) von Yuzuru Tachikawa Als Fan des Manga Blue Giant Supreme war der Besuch dieses Films ein Pflichtbesuch. Die Geschichte dreht sich um den jungen Saxophonisten Dai, der sich in den Kopf setzt, der weltbeste Jazzmusiker zu werden. Unnachgiebig überzeugt er einen Drummer und einen Pianisten sich ihm anzuschließen, organisiert erste Gigs und gibt auf der Bühne alles. Die Umsetzung lebt von der Inszenierung der Leidenschaft zur Musik. Sowohl die Konzerte, die farbenfroh und expressionistisch gestaltet sind, als auch die sorgfältig ausgewählten Schauplätze. Vom Saxophonsolo abends am Fluss unter einer Brücke bis zur etwas ranzigen Toilette des Jazzclubs. Die Orte sind stark mit der Musik verbunden und das Visuelle passt auch dann besonders gut, wenn wir kurze Erinnerungsschnipsel der Spielenden zur Musik erleben. Ganz klar, das Festival hat für mich mit einem Highlight begonnen. Johatsu - Into the Air (2024) von Andreas Hartmann & Arata Mori Johatsu, die "sich in Luft auflösenden": So nennt man in Japan diejenigen, die von heute auf morgen verschwinden, ihrem Leben aus vielfältigen Gründen entfliehen und ein neues Leben unter neuer Identität beginnen. Meist werden sie nie wieder gefunden, Familie und Freundeskreis bleiben nichtsahnend zurück. Der Regisseure Andreas Hartmann und Arata Mori nehmen Kontakt auf: Mit Hinterbliebenen, die jahrelang auf der Suche sind. Mit Geflüchteten, die unter widrigen Umständen eine neue Existenz aufbauen wollen, oft an der Armutsgrenze. Und mit Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, Menschen verschwinden zu lassen und ihnen bei der sicheren Flucht zu helfen. Sehr interessant, authentisch und wertungsfrei zeigt dieser Dokumentarfilm ein Thema, über das ich mir nicht im Klaren war und das eine Menge Substanz zum Nachdenken und Diskutieren bereithält. Kyrie (2023) von Shunji Iwai Die Teenagerin Luca pflegt ein Leben als Straßenmusikerin. Seit sie ihre Eltern und Schwester verloren hat, kann sie nicht mehr sprechen und verleiht ihrer Stimme einzig beim Gesang Gewicht, um sich auszudrücken. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin, die sich als ihre Managerin beweisen will und den ersten Kontakten zur Musikindustrie schlagen sich die zwei jungen Frauen durch. Dieses Musikdrama hat vor allem eine sympathische Hauptfigur und 1-2 durchaus interessante Nebenfiguren zu bieten. Hinzu kommen obligatorische Gesangspassagen und philosophische Coming-of-Age Vibes. Leider ist die monumentale Dauer von drei Stunden dann doch etwas viel für den Stoff und der Film enthält einige Redundanzen und unnötige Szenen, mit bspw. einer Vergewaltigungsthematik, die dann aber nicht in der nötigen Tiefe aufgearbeitet wird, sondern fast beiläufig geschieht. Nichtsdestotrotz hatte ich eine gute Zeit mit dem Film und wer ein japanisches Singer & Songwriter Drama mit Parallelen zu CODA ansprechend findet, sollte hier reinschauen. Ripples (2023) von Naoko Ogigami Hausfrau Misae hat ihr Leben umgekrempelt: Der Schwiegervater ist nach lange Heimpflege gestorben, der Ehemann ist nach den Wirrungen von Fukushima abgehauen, der Sohn zum Studium ausgezogen und sie selbst hat sich einer kleinen Sekte angeschlossen, die ein heiliges Wasser verehrt und jeden Tag diesem Wasser an einem Schrein in ihrer Wohnung predigt. Ich nehme vorweg, dass "Ripples" eines meiner Highlights der Nippon Connection war. Eine beißende Familien- und Gesellschaftssatire in der Tradition von "Parasite" mit einer starken feministischen Ader, absurden komischen Momenten und richtig guten Darstellenden. Ganz große Empfehlung! Perfect Days (2023) von Wim Wenders Kein originärer Nippon Connection Film, denn dieser Film von Wim Wender lief bereits 2023 in Deutschland im Kino. Unter dem diesjährigen Motto "Crossing Borders" passte die deutsch-japanische Koproduktion aber hervorragend ins Konzept und ich war sehr froh, den Film nachholen zu dürfen. Toilettenreiniger Hirayama führt ein bescheidenes Leben mit klaren Routinen: Die Arbeit wird akribisch erledigt, danach geht es zum Lieblingsimbiss, abends gibt es ein gutes Buch bevor das Licht ausgeht. "Perfect Days" ist ein herzerwärmendes Drama, über das sich herrlich streiten lässt: wunderschön, simpel mit einer Botschaft im Sinne des Zen-Buddhismus - aber auch mit einem romantisierend-naiven Blick auf die Arbeitenden und unterprivilegierten im Kapitalismus. In jedem Fall extrem sehenswert. Phoenix: Reminiscence of Flower (2023) von Shoujirou Nishimi Der klassische Manga Phoenix (Hi no tori) stammt aus den 50ern und war mir bis dato nicht bekannt, obwohl es auch einige Anime-Inkarnationen bis in die 2000er gab und ich bin allein aufgrund des Trailers in diesen Film gegangen. Dabei geht es um unabhängige Science Fiction und Fantasy Geschichten, die alleine ein verbindendes Element besitzen: Den Feuervogel Phönix, der meist eine symbolische und passive Rolle im Geschehen einnimmt (soweit meine Recherche). Das Paar Rom und George landet mit seinem Raumschiff auf einem fremden Planeten mit klarer Mission: Ein lebensfähiges Ökosystem aufbauen und den Grundstein für eine neue Zivilisation legen. Als George bei einem Unfall ums leben kommt, entwickelt sich das Vorhaben in ungeahnte Richtungen... "Phoenix: Reminiscence of Flower" ist ein faszinierendes, buntes SciFi Abenteuer mit einigen tollen Designs, aber auch mit einem langatmigen Pacing und dem Problem einer grundsätzlichen Unzugänglichkeit. Sympathie mit Charakteren aufzubauen oder mich zu involvieren, fiel mir schwer, es blieb stets eine große Distanz zu allen Ereignissen und Figuren. Interessant für Fans klassischer Science Fiction, aber kein großes Unterhaltungskino. Totto-chan: The Little Girl at the Window (2023) von Shinnosuke Yakuwa "Totto-chan" ist eines der beliebtestes Kinderbücher in Asien (meine aus China stammende Ehefrau freute sich darum ganz besonders auf den Film). Das Mädchen Totto-chan tanzt in ihrer Schule stets aus der Reihe und kommt auf eine besondere Grundschule für Kinder, die alle nicht so Recht in das übliche System gepasst haben. Hier wird mit Empathie und mit Wert auf freie Entfaltung gelehrt. Allerdings kündigt sich parallel die Bedrohung des zweiten Weltkrieges an, die einen Schatten über das harmonische Miteinander legt. Ein Film fürs Herz, der sich nicht nur an Kinder richtet, bereits in der Anmoderation auf der Nippon Connection wurde versprochen, dass es tränenreich werden könnte. Und tatsächlich, ich hatte die Hälfte der Zeit einen dicken Kloß im Hals. Was man dem Film ankreiden kann, ist aber wie so oft die unreflektierte japanische Sicht auf den zweiten Weltkrieg, die man so leider weiterhin in vielen Filmen erleben muss. Im Kontext dieses Films finde ich das noch ok, aber in der Summe vieler Filme wird deutlich, wie Japan auch weiterhin den Fokus auf die Opferrolle der eigenen Zivilbevölkerung legt und damit einer Verantwortungsrolle ausweicht. Missing (2024) von Keisuke Yoshida In meinem letzten Film auf gab es schwere Kost mit dem Drama "Missing", in dem wir den Leidensweg eines Ehepaares miterleben, dessen Kind verschwunden ist und die zwischen Trauer, Medienberichterstattung und Polizeiermittlungen zerrieben werden. Der Fokus liegt besonders auf der Mutter und ihrer Beziehung zum Ehemann sowie der Herausforderung für ihre eigene Beziehung. Mir hat "Missing" leider überhaupt nicht gefallen. Man bekommt sehr viel Leid in Form von weinenden Menschen präsentiert, aber einen Mehrwert konnte ich leider nicht mitnehmen. Erschwert wurde das vor allem durch die Rolle der Journalist*innen, die den Film in ein Ungleichgewicht aus Mediensatire und schwerem Familiendrama stürzen, das mich sehr ratlos zurückgelassen hat, ob wir hier eine größere Medienkritik sehen sollen, die aber nicht konsequent auserzählt wird. Alles in allem war es ein lohnendes Vergnügen in Frankfurt zu sein und ich plane definitiv, im kommenden Jahr wiederzukommen. Zum Abschluss noch ein paar Impressionen rund um das Festival:

  • Comic Review: Dune - Haus Atreides (Splitter Verlag)

    Nachdem Denis Villeneuves zweiter Teil der Filmsaga einen großen Erfolg eingefahren hat, ist Dune wieder in aller Munde. Die Verleger der Romane und auch Comics dürfen sich freuen, denn auch deren Verkaufszahlen wurden ordentlich angekurbelt. In Deutschland werden die Comics von Splitter verlegt und weisen einen immer größer werdenden Katalog unterschiedlicher Geschichten auf. Viele, so wie der heute besprochene Titel, basieren auf den Büchern von Brian Herbert, dem Sohn von Dune-Autor Frank Herbert, der Anfang der 2000er weiteren Stoff in Romanform zum Dune-Kanon beigesteuert hat. Heute soll es um die Reihe gehen, die mir als erstes ins Auge Stach und sich als guter Startpunkt zum Lesen empfiehlt, "Haus Atreides". Benötigt man zur Lektüre der Comics Vorwissen über Dune, sollte die Romane gelesen oder wenigstens Filme gesehen haben? Es schadet sicher nicht, denn gerade die Hintergründe der einzelnen Fraktionen wie bspw. den Bene Gesserit werden so gut wie gar nicht erklärt. Das bedeutet nicht, dass man der Story ohne Vorwissen nicht folgen könnte, aber das größere Vergnügen lässt sich herausziehen, wenn man die Bände als Ergänzung zum bekannten Universum liest. Also bspw. den ersten Roman oder den ersten Film gesehen zu haben, schafft die notwendige Grundlage. Die Ereignisse in "Haus Atreides" spielen 35 Jahre vor dem ersten Roman. Band 1 eröffnet mit einem Blick auf den namensstiftenden Wüstenplaneten Arrakis alias Dune aus der Perspektive des Baron Harkonnen. Dieser macht sich auf, den Spice-Abbau zu optimieren und mit den Gefahren des Planeten umzugehen, die unter jedem Sandkorn lauern. Parallel dazu wächst auch das Interesse des Padishah-Imperators an Arrakis. Er beauftragt den Planetologen Kynes damit, Arrakis tiefergehend zu untersuchen und die Frage zu beantworten: Wieso gibt es das Spice nur dort und lässt es sich doch auf anderem Wege beschaffen oder gar synthetisch herstellen? Parallel dazu werden wir Zeuge eines achtjährigen inhaftierten Jungen namens Duncan Idaho, erleben Familienintrigen gegen den Imperator und nehmen am Werdegang des jungen Leto Atreides teil, dem Zögling des Familienoberhaupts Paulus. Letzteres entwickelt sich schlussendlich auch zum titelstiftenden Hauptstrang dieser dreibändigen Reihe. Künstlerisch zeichnen sich Zeichner Dev Pramanik und Kolorist Alex Guimarães verantwortlich. Ersterer hat sich durch die Vielzahl an Dune-Comics bereits eine stolze Visitenkarte geschaffen, außerdem wurde sein Werk "Der Mann, der vom Himmel fiel" bei CrossCult veröffentlicht. Kolorist Guimarães war bislang vor allem für BOOM Studios und DC aktiv. Insgesamt ergibt die Kombi der beiden ein erwachsenes und ansprechendes Artwork, das an aktuelle frankobelgische Comics erinnert. Insgesamt ist mir der Look einen Tick zu bunt geraten, was der sehr ernsten Science-Fiction Story nicht komplett gerecht wird. Durch die Vielzahl an unterschiedlichen Schauplätzen und Planeten sorgt die wechselnde farbliche Gestaltung zwar für hohe Abwechslung, aber eine weniger grelle Farbpalette hätte der Atmosphäre meiner Ansicht nach besser getan. Nichtsdestotrotz gibt es an der Qualität wenig auszusetzen und man hat hochwertige Arbeit mit kreativem Paneling und opulentem futuristischem Look vorliegen. "Haus Atreides" weist, wie bereist erwähnt, ein großes Spektrum an Schauplätzen und Charakteren auf. Seien es die Harkonnen auf Giedi Prime, Planetologe Kynes auf Arrakis, eine unterirdische Stadt auf Ix oder die Bene Gesserit auf Wallach IX. Hier kommt keine Langeweile auf. Auch thematisch wechselt es zwischen machtpolitischen Intrigen, Verfolgungsjagden, Rebellionen und auch mal lockeren Alltagsabenteuern. Hauptakteur Leto Atreides gerät dabei erst im Laufe der Kapitel in den Mittelpunkt. Dass es sich nicht nur um Haus Atreides dreht, sondern auch andere Fraktionen große Anteile erhalten, hat mir gut gefallen, da man so ein Gespür für den Kosmos erhält und tief in die Lore von Dune eintauchen kann. Arrakis, die Fremen und das Spice spielen nur eine Randrolle in dieser Geschichte, schweben aber wie eine unsichtbare Präsenz über allen Geschehnissen. So drehen sich viele Motive um das Spice und den damit verbundenen Schlüssel zur Macht, der Wüstenplanet selbst nimmt aber nur einen kleineren Teil ein und auch der halluzinogene Rohstoff kommt nicht direkt zum Einsatz, wie es z. B. im zweiten Film der Fall war. Das finde ich erfrischend, da man so nicht in die Falle tappt, zu viele bekannte Aspekte erneut zu erzählen. +++ Spoiler-Warnung +++ Leider kommt die Reihe nicht ohne Schwachpunkte aus, die sich zum Ende hin immer mehr offenbaren: Die einzelnen Handlungsstränge werden unausgeglichen erzählt, so endet einer der interessantesten Stränge, nämlich der vom Planetologen Kynes, vorzeitig und unfertig. Auch Duncan Idaho verkommt im letzten Zug der Geschichte zum Statisten. Einzelne Story-Fäden werden nicht zu einem einheitlichen Finale verwoben, sondern wirken bis zum Schluss isoliert. Irritiert hat mich außerdem, dass das Finale von Band 3, nämlich die Ereignisse rund um Leto Atreides, zu einer Variante von "Star Trek VI - Das unbekannte Land" avancieren. Die Parallelen zu diesem Film sind so offensichtlich und der dazugehörige Gerichtsprozess dermaßen abrupt beendet, dass zum Schluss ein etwas holpriges Gefühl bleibt. Eine zentrale Schwäche von "Dune: Haus Atreides" liegt außerdem in der Vielfalt an Handlungsbögen und Schauplätzen begründet: Was einerseits Abwechslung schafft, führt andererseits dazu, dass sich das Storytelling fast ausschließlich auf das Vorantreiben des Plots konzentriert. Zwischentöne oder gar philosophische und politische Botschaften sucht man vergebens. Das ist schade, da natürlich gerade diese Vielfalt an Erzählebenen und Lesarten die Romane und auch Filme ausgezeichnet haben, die von der Verführung der Massen durch Religion und Propaganda oder auch Themen wie Drogenmissbrauch und Psychosen gehandelt haben. Wer dadurch nicht gestört wird, erhält eine abwechslungsreiche und prächtig inszenierte SciFi-Story mit ein paar deutlichen Schwächen im Abgang. Alles in allem ist "Haus Atreides" durchaus empfehlenswert für Dune-Fans und Lesende, die nach den Kinofilmen und Romanen nach mehr Material aus Frank Herberts Universum verlangen. Die drei Bände sind eine kurzweilige und schön gestaltete SciFi-Kost, die leider vorhandenes Potential verschenkt und mit mehr Tiefe und Finesse im Zusammenführen der Handlungsstränge ein richtiges Highlight hätte sein können.

  • Meine Top 10 Comics 2023

    Meine Top 10 Comic First Reads bestehend aus aktuelleren Werken und Bänden vom Lesestapel, die mich 2023 am meisten begeistert haben. Diese Einseitigkeit ist mir fast peinlich, aber im letzten Lesejahr stechen besonders zwei Namen so stark hervor, dass man mir einen beschränkten Comichorizont unterstellen könnte: Batman und Tom King, teils sogar in Kombination. Dabei habe ich durchaus auch anderes gelesen, aber diese sorgten regelmäßig für die Highlights. Auch Jeff Lemire kommt mit den beiden modernen Klassikern Gideon Falls und Descender doppelt vor. Insgesamt stand mein Lesejahr im Zeichen von Veröffentlichen der Major-Verlage aus den letzten zehn Jahren, so konnte ich auch zum ersten Mal Batman: Hush lesen (im neuen Hardcover Deluxe Band, der mich unter dem Christbaum begrüßte). Auch Doomsday Clock und alles rund um Infinite Frontier, Shadow War und Dark Crisis habe ich allesamt verschlungen. Letzteres Megaevent war mein Flop des Jahres und ich hoffe, dass der anstehende Dawn of DC das Niveau wieder anhebt. Von den eben genannten abgesehen, möchte ich noch folgende Comics herausstellen: Der Manga Sakamoto Days ist eine erfrischende Crime-Parodie über den Beruf des Profikillers. Mit viel Humor und coolen Zeichnungen, die sich vom Mangastandard abheben. Habe bislang den ersten Band gelesen und werde dran bleiben. Weiterhin haben mich die Manga Berserk, Blue Giant Supreme und Rooster Fighter bestens unterhalten - sind aber auch Serien, die ich schon mindestens seit dem Vorjahr lese und die Top-Titel 2023 möchte ich für Starts oder Abschlüsse reservieren. Der bei Cross Cult erschienene, abgeschlossene Band God Country von Donny Cates war ebenfalls stark und eine fantasievolle Geschichte über Demenz und den Umgang mit ihr - aber meine Erwartungen waren nach einigen Reviews sehr hoch und ich finde God Country "nur" ziemlich gut. Auch bei Star Wars habe ich mich ausgetobt und vor allem Doctor Aphra (1. Serie) weitergelesen, was zum besten der Star Wars Comics gehört. Der Sonderband Darth Vader Dark Visions hat mich ebenfalls überzeugt. Obwohl er eher durchwachsene Kritiken erhalten hat, fand ich diese Anthologie zum dunklen Jedilord wirklich gelungen und abwechslungsreich. Ebenfalls genannt werden sollte die letzte Paperback-Reihe zu Wonder Girl, die 2022 bei Panini erschienen ist. Besonders wenn Autorin Joelle Jones auch selbst den Zeichenstift in die Hand nimmt, ist jede Seite ein wahres Kunstwerk. Wahnsinnig toll koloriert und ein echter Superheldinnen-Geheimtipp. Um noch einen kleinen Ausflug ins Marvel-Universum zu wagen (auch wenn es ein älterer Band ist): Silver Surfer: Requiem von JMS bietet einen klasse aufbereiteten Band in vier Kapiteln, der den kosmischen Wellenreiter auf einer tragischen Reise nach Hause begleitet. Zuletzt war auch die Lektüre von Plot Holes ganz interessant. Zeichner Sean Murphy, der besonders durch Batman: White Knight populär geworden ist, ist hier auch als Autor tätig. Das Visuelle ist auf Topniveau und sprudelt vor Ideen, die Multiversums-Story selbst habe ich so ähnlich aber schon besser gesehen (z. B. Black Science) und wirkte etwas chaotisch. Nun aber zu den besten 10 Comics, die ich 2023 gelesen habe. 10. Batman - One Bad Day: Mr. Freeze by Gerry Duggan (Panini, 2023) Unter den aktuellen DC Veröffentlichungen sorgte besonders die Reihe One Bad Day für Gesprächsstoff, in der Widersacher*innen von Batman im Stile von The Killing Joke eine ausführliche Backstory erhalten hat. Gerry Duggan und Matteo Scalera nahmen sich Mr. Freeze an und liefern eine optisch wunderschöne, eiseskalte Geschichte voller Tragik und konnten dem verlorenen Wissenschaftler damit Tiefe verleihen. Auch wenn die Veröffentlichung im Albumformat für mich streitbar ist, da sich Kosten und Lesedauer kaum die Waage halten, war dieser Band der herausragendste aus dieser Topreihe aus dem letzten Jahr. 9. Batman Catwoman by Tom King (Panini, 2021-2022) Wenn Tom King und Christopher Nolan eine Gemeinsamkeit haben, dann ist es deren Leidenschaft für das Spiel mit der Zeit und Erzählen auf verschiedenen Zeitebenen. Bei Batman Catwoman treibt es Herr King auf die Spitze und erzählt parallel in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft so dynamisch, dass die Zeiten fast ineinanderfließen - zu Beginn ziemlich verwirrend, da es zu Wechseln alle 2-3 Seiten kommt. Hat man sich erst einmal dran gewöhnt, macht der Stil süchtig und lässt einen nicht los. On Top gibt es großformatige Zeichnungen im opulenten Superheldenstil mit kräftigen Farben, spannenden Perspektiven und Liebe zum Detail von Clay Mann. 8. Batman: Hush by Jeph Loeb (Panini, 2022) Ein moderner Klassiker: Topautor Jeph Loeb und Starzeichner Jim Lee haben mit Hush ein Stück Batman-Historie geschaffen. Auch wenn die Story sehr episodisch und formelhaft ist, ist sie ein besonders gutes Beispiel für gelungene Superheldencomics mit längeren Story Arcs. Und gleichzeitig eine Art Best of Gotham City, denn die Figuren aus der Stadt des dunklen Ritters geben sich Kapitel für Kapitel die Klinke in die Hand. Besonders schön ist die Neuveröffentlichung in der Deluxe Edition von Panini, die sich gut bei mir im Regal macht und mit einigem Bonusmaterial daherkommt. 7. Mister Miracle by Tom King (Panini, 2019) Einerseits ist das, was ich hier gelesen habe, schon fast "typisch Tom King", andererseits genau das, weshalb ich ihn so mag: Eine DC-Figur aus der dritten Reihe wird zum Mittelpunkt einer vertrackten Story voller Intrigen, kollidierenden Interessen und Verrat. In diesem Fall ist es Entfesselungskünstler Scott Free. Ich finde es immer beeindruckend, wie King es schafft, die Charaktere in wenigen Kapiteln in ein Netz aus Beziehungen zu werfen, Hintergründe hinzuzufügen und immer wieder neue Bälle ins Rollen zu bringen. Mister Miracle wirft uns in eine Tragödie mit Shakespeare-esken Zügen, in der man nie weiß, was als nächstes kommt. Die Zeichnungen von Mitch Gerads mit dem gewohnt strukturierten King-Paneling geben der Story viel Raum und Übersicht. Und was soll ich sagen, ich liebe es, wenn am Ende- der Kapüitel das Schlusswort fällt: "Mister Miracle - Entfesselungskünstler!". 6. Turtles: The Last Ronin by Eastman, Waltz & Laird (IDW, 2022) Als ich im Januar 2023 diesen Band von IDW gelesen hatte, war ich noch nicht im Bilde, dass Splitter diese Reihe noch im gleichen Jahr nach Deutschland holen wird. Und es ist ein begrüßenswerter Schritt, denn die dort seit 2011 laufende Serie mit vielen Spin-Offs ist ein echtes Action-Highlight. Eines der größten Spin-Offs dieser Art ist The Last Ronin, das uns in eine dystopische Zukunft entführt, in der ein Nachkomme des Shredder die Stadt terrorisiert und ein einziger verbliebener Turtle auf Rache sinnt. Rückblicke geben Aufschluss darüber, wie es zu diesem Status-quo - besonders cool ist, dass diese Blicke in die Vergangenheit vom Schöpfer Kevin Eastman persönlich gezeichnet werden und stilistisch an die Ur-Serie aus den 80s mit Schwarz-weiß-Look anknüpfen. Alles in allem ein Must-read für Turtles-Fans. 5. Strange Adventures by Tom King (Panini, 2021-2022) Weltraum-Held Adam Strange, der als Erdenbürger den Planeten Rann beschützt, kommt in Erklärungsnot: Er wird Hauptverdächtiger in einem Mordfall. Er und seine Frau überlegen, wie sie damit umgehen und setzen Mr. Terrific darauf an, den Fall aufzuklären, um Transparenz zu schaffen. Doch es erscheinen immer mehr Zweifel an der Integrität von Strange... Neben der genannten Story geben uns ausführliche Rückblicke Aufschluss über die Vergangenheit von Adam Strange als Kriegskommandant auf Rann. Beide Zeitebenen werden unterschiedlich illustriert, teils von Mitch Gerads, teils von Evan "Doc" Shaner. Beide stehen sich in Nichts nach und bieten sehr unterschiedliche Stile, die trotzdem gut zusammenpassen. Die Story ist typisch Tom King: Verstrickungen, Zeitsprünge im Storytelling, Enthüllungen - wie ein richtig guter Krimi eben, nur in einem erfrischenden Superhelden/SciFi-Setting. 4. Gideon Falls by Jeff Lemire (Splitter, 2019-2021) Vor vielen Jahren hatte ich ein Heft der Image Firsts in der Hand und konnte dort das erste Kapitel von Gideon Falls lesen. Mir war sofort klar, dass ich diese Story eines Tages fortsetzen möchte und 2023 war es soweit. Pater Fred kommt als neuer Pfarrer in die Kleinstadt Gideon Falls, in der sich mysteriöse Geschichten um eine schwarze Scheune drehen. Parallel dazu begleiten wir den psychisch Kranken Norton, der in einer Großstadt zwanghaft Müll sammelt und von Visionen heimgesucht wird. Ein Mysterythriller, der zwischen Akte X und Stranger Things zu verorten ist und mal geerdetes Charakterdrama und mal übernatürlichen Horror bietet. Gideon Falls ist so spannend wie die besten HBO-Serien und lässt einen nicht los. Besonders gelungen ist der Umgang mit den Panels, in denen so kreative Spielereien geschehen, dass einem schwindelig wird. Für mich ist Gideon Falls ein moderner Klassiker und sollte nicht nur von Genrefans gelesen werden. 3. Descender by Jeff Lemire (Splitter, 2016-2019) Eine weitere große Reihe von Jeff Lemire, die mich seit Jahren mit ihren tollen Coverbildern im Comicladen angelächelt hat. Descender ist eine SciFi-Saga, in der Roboter verfolgt und verschrottet werden, obwohl sie einst Seite an Seite mit den Menschen existierten. Die Geschichte stellt uns an die Seite vom kleinen Androiden Tim-21, der einst als Spielkamerad des Jungen Andy konzipiert wurde und in den weiten der Galaxis seinen Bruder sucht. Neben der tollen visuellen Anmutung der Aquarellbilder sind es vor allem die vielen sympathischen Charaktere, die mich begeistert haben. Deren Handlungsstränge greifen wie Zahnräder ineinander und entwickeln im Laufe der sechs Bände eine tolle Dynamik. 2. The Amazing Screw-On Head and Other Curious Objects by Mike Mignola (Dark Horse, 2010) Dieser Band lag jahrelang ungelesen in meiner Dark Horse App und Schande über mein Haupt, dass mir nicht klar war, was hier für ein Glanzstück der Comickunst verborgen war. Wie der Titel schon verrät, geht es nicht nur um den erstaunlichen Draufschraub-Kopf, sondern es gibt noch weitere Kurzgeschichten, so z. B. "Die Schlange und der Zauberer". Alle Geschichten sprühen vor kreativen Einfällen und leicht morbidem Humor, wie man ihn von Mignola gewohnt ist. Die Titelstory hat er übrigens gemeinsam mit seiner damals vierjährigen Tochter konzipiert, was diese zur wohl jüngsten Eisner-Award Gewinnerin aller Zeiten macht. The Amazing Screw-on Head ist nicht einfach "noch eine Mignola-Kurzgeschichte", sondern eines der elementaren Werke von ihm. 1. Human Target by Tom King (Panini,2022-2023) Human Target ist eine dieser DC Figuren, die nur ganz eingefleischten Fans etwas sagen. Kurioserweise gab es ausgerechnet zu dieser 2010 eine TV-Serie bei Fox, die aber ziemlich untergegangen ist. Dabei geht es um den Auftragsleibwächter Christopher Chance, der in fremde Identitäten schlüpft und sich selbst zum Ziel anstehender Terroranschläge und Mordversuche macht. Praktisch ein Überlebens- und Verkleidungskünstler, der Kapital aus seinen Talenten schlägt. Nachdem er eines Tages einen Auftrag für Lex Luthor annimmt, wird er schwer vergiftet und schwebt selbst in Lebensgefahr. Ihm bleiben nur noch wenige Tage, um seinen eigenen Mordfall aufzuklären... Auch wenn es deutliche Parallelen zu Kings Werken Mister Miracle und Strange Adventures gibt, hat mir sein Stil in diesem Fall am besten gefallen. Künstlerisch konsequent mit grellen Farben im Wachsmalstil von Greg Smallwood umgesetzt, geht es für mich kaum besser. Der einzige Wermutstropfen ist, dass ich nur den normalen Paperback im Regal stehen habe, obwohl ein noch schöneres Hardcover erschienen ist. Man kann nicht alles haben.

  • Meine Top 10 Videospiele 2023

    Meine top 10 First Plays bestehen aus aktuelleren, aber nicht brandneuen Spielen, die mich 2023 am meisten begeistert haben. Im Gegensatz zum Vorjahr kam ich in diesem Jahr ganz gut zum Zocken und habe ca. 30 Spiele gespielt. Auch beim Thema Gaming gab es einige Spiele, die ich stark fand, die es aber nicht in die Top 10 geschafft haben: So kam ich 2023 erstmals dazu, das zweite Shining Force auf dem Sega Mega Drive durchzuspielen. Ein tolles Taktik-RPG, das den Vorgänger in punkto Charaktervielfalt, Umfang und Story deutlich übertrifft. Die Erfahrung war letztendlich aber dem ersten Teil zu ähnlich und daher qualifiziert es sich nicht für die Bestenliste. Trotzdem bin ich großer Fan der Reihe und dieses Jahr steht ganz dick Shining Force CD auf der Agenda. Ebenfalls bei mir haften geblieben ist The Red Strings Club. Das Indie-Adventure in schönster Pixel-Optik stellt das Gameplay hinten an und legt den Schwerpunkt auf Dialoge und Story. Und die Story ist (auch in der deutschen Fassung) super geschrieben, von vorne bis hinten spannend und interessant. Für ruhigere Spielstunden mit SciFi-Atmo eine gute Wahl. Observation zeigt, wie ein SciFi-Abenteuer auch anders gehen kann - angespannte Stimmung, großes Drama im Weltall und Kampf ums Überleben auf einer beschädigten Raumstation. Ihr übernehmt jedoch nicht die Rolle der einzigen Überlebenden, sondern kontrolliert die KI S.A.M., um Codes zu knacken, Sonden zu steuern und die Station zu reparieren. Leider geht die hohe Authentizität und Atmosphäre auf Kosten der Spielbarkeit, da die Bedienung oft sperrig und spaßbremsend ist. Aber ein einmaliges Abenteuer, das visuell, storytechnisch und atmosphärisch einiges bietet. 10. Child of Light (2014) Prinzessin Aurora fällt in einen tiefen Schlaf und erwacht in der Traumwelt Lemuria, in der sie finstere Monster bekämpft, um Umbra, die Königin der Nacht, zu besiegen. Eine Art Remix des Dornröschen-Märchens. Der erste Blick auf Child of Light weckt Assoziationen an gegenwärtige Metroidvanias und die ersten Spielminuten gehen in eine ähnliche Richtung. Jedoch wird schnell klar, dass Child of Light ziemlich linear ist und der Kern des Spiel rundenbasierte Kämpfe mit einem motivierenden Kampfsystem sind. Ihr kämpft üblicherweise mit zwei Held*innen im Tag-Team und könnt diese auch mit Erfahrungspunkten und magischen Kristallen immer mächtiger werden lassen. Das Spiel macht nichts bahnbrechend Neues und hat durchaus Schwächen in der Menüführung und dem Leveling-System der Charaktere, lässt euch aber auch schön gestaltete Welten erkunden, spannenden Stories folgen und hat ein Kampfsystem, das ich mir für aktuelle Final Fantasys wünschen würde. Als Negativpunkt will ich aber nicht unerwähnt lassen, dass Storytelling in Reimform nicht die beste Entscheidung war. 9. Stories Untold (2017) Gerade einmal drei Stunden dauert ein Playthrough von Stories Untold. Der Wiederspielwert ist kaum vorhanden, wenn ihr es nicht jemandem zeigen wollt. Dennoch ist mir die Horror-Hommage an das Text-Adventure im Gedächtnis geblieben. Weil es ein Spiel ist, bei dem jeder Pixel sitzt. Von der ersten Sekunde bis zur letzten hat jede Aktion Hand und Fuß, ist jedes Stück Handlung spannend inszeniert. Mal bedient ihr analoge Bandmaschinen und Funkgeräte, mal löst ihr auf dem Heimcomputer ein textbasiertes Adventure ohne Grafik. Es kann manchmal so einfach sein, eine Menge Spielspaß und Spannung zu bieten. 8. Storyteller (2023) Storyteller habe ich regelmäßig vorm Schlafen gespielt, daher hat es einen besonderen Stellenwert. Und es ist das einzige Game in dieser Liste, das ich auf dem Tablet gespielt habe, für das es perfekt geeignet ist (und mit Netflix-Abo ohne Mehrkosten gespielt werden kann). In dem interaktiven Rätselbuch warten märchenhafte Kurzgeschichten darauf, von euch vervollständigt zu werden. Dazu stehen euch Schauplätze und Figuren zur Verfügung, die wie logische Operatoren funktionieren: Denn herauskommen muss die geforderte Story (siehe Screenshot). Was geradezu kindisch einfach klingt, entpuppt sich im Spielverlauf als anspruchsvolle Herausforderung für die grauen Zellen. Love it! 7. Yes, Your Grace (2020) Ich kann folgendes festhalten: Noch nie waren 1,99€ im Switch-Sale besser investiert! In Yes, Your Grace übernehmt ihr die Rolle von König Eryk und verwaltet ein kleines Königreich. Jeden Tag stehen Bürger und Lords vor eurem Thron und bitten euch um Hilfe. Der eine will seinen Sohn mit eurer Tochter vermählen, die andere möchte eine Kneipe eröffnen und im Dorf um die Ecke wurden alle Schafe gerissen. Doch helfen könnt ihr nkcht allen, denn Rohstoffe und Bedienstete sind knapp. Und die Ressourcen Gold, Vorräte, Streitkräfte und Zufriedenheit des Volkes sollten möglichst im Einklang bleiben. Denn am Horizont steht bereits die Armee eines großen Feindes. Ach ja, und einen Nachkommen solltet ihr möglichst auch noch zeugen... Yes, Your Grace verknüpft eine einfache Wirtschaftssimulation mit Point & Click Elementen. Am Ende wird euch die eigene Familie mit drei Töchtern mehr graue Haare kosten als die anstehende Schlacht. Leider ist die deutsche Fassung nicht sehr gut übersetzt, auf Englisch sind die Dialoge aber mit viel Witz geschrieben und das Spiel schafft gekonnt den Spagat zwischen Komödie und Drama. 6. Stray (2022) Miau! Dieses Indie-Action-Adventure entführt uns in eine von Robotern bevölkerte, unterirdische Welt voller Neonfarben. Dabei wollen wir nichts weiter, als unsere Katzenfamilie wiederfinden. Auf dem Weg zurück begegnen wir mechanischen Freunden, krabbelnden Feinden und werden unverhofft Teil von etwas viel größerem - dem Weg an die Oberfläche! Einziger Negativpunkt sind die (wenigen) Passagen mit Shooter-Elementen, die ein wenig deplatziert im Rest des Spiels untergehen. Die restliche Reise aus Erforschen, Klettern, Sammeln und Rätseln ist aber ein audiovisueller Schmaus und lädt in eine bemerkenswerte virtuelle Welt ein. Und Stray ist wirklich nicht nur eine Aneinanderreihung von Leveln, sondern verdient das Prädikat "virtuelle Welt" vollkommen. 5. Demon's Souls (2020) Als großer Souls-Fan war das Remake von Demon's Souls ein Pflichtspiel für mich. Das Original habe ich nie gespielt, aber im Prinzip ist die Formel klar, wenn man bereits Dark Souls kennt. Die Unterschiede, bspw. das Heilsystem ohne Estus Flasks und den Levelzugriff über einen Hub fand ich im direkten Vergleich weniger elegant, aber auch nicht schlecht oder gar störend. Was wirklich etwas abfällt, sind jedoch die Bosskämpfe, die weniger fordernd und imposant daherkommen als in anderen Genrevertretern. Das macht das smarte Design innerhalb der Level aber wett, die über jeden Zweifel erhaben sind. 4. Teenage Mutant Ninja Turtles: Shredder's Revenge (2022) In den letzten zwei Jahren haben die Ninja-Schildkröten aus meiner Kindheit ein bemerkenswertes Comeback hingelegt. Sie waren auch davor irgendwie präsent, nur die Qualität der TV-Adaptionen und Games hat oft nicht gestimmt. Im letzten Jahr gab es einen neuen Kinofilm und in Deutschland wurde endlich die umwerfende Comicreihe von IDW gelauncht. Nebenbei gab es zuvor auch eines der kompetentesten Beat em Ups der Videospielgeschichte, Shredder's Revenge. Anknüpfend an den Klassiker Turtles in Time (SNES), kombiniert mit den Designs der beliebten Spielzeugreihe von Playmates ergibt sich eine nostalgische Klopperei in bester Pixeloptik. Das Set an Moves ist gleichermaßen spaßig und komplex genug, um eine lange Lernkurve zu ermöglichen. Die Wiederbelebung einer älteren Marke, die gleichzeitig viel neues bietet und an alte Stärken anknüpft, hat selten besser funktioniert. 3. Death's Door (2021) Wenn The Legend of Zelda und Dark Souls ein Kind hätten, dann könnte so etwas wie Death's Door herauskommen. Und man könnte sich als Videospiel deutlich schlimmere Eltern vorstellen. Die isometrische Grafik ist schön anzusehen und führt eine Krähe im Dienste des Jenseits auf die Reise, Seelen ins Reich der Toten zu holen. Wenn Seelen nicht durch spezielle Türen von den Reapern (allesamt Krähen) ins Jenseits befördert werden, gibt es nämlich Chaos und lästigen Papierkram. Die Story kommt mit viel Humor und sympathischen Figuren daher, die Welt wurde originell designt. So geht es mal in eine Hexenvilla, die direkt aus einem Ghibli-Film stammen könnte und mal zu überfluteten Ruinen mit dämonischen Fröschen. Mit fordernder Action, die nie zu schwer wird und einem vertrackten, anspruchsvollen Leveldesign voller Schalter, versteckter Items und Bosskämpfen. Untermalt wird das Action-Adventure von einem melancholischen Soundtrack der ersten Klasse. 2. It Takes Two (2021) Die Eltern May und Cody bringen ihrer Tochter halbherzig bei, dass sie sich scheiden lassen. Tochter Rose aber weiß sich ganz besonders zu wehren: Mithilfe des magischen Book of Love werden die Seelen der beiden Eltern in kleine Spielzeugpuppen transferiert und auf einmal müssen sich die beiden damit anfreunden, nur 20cm groß zu sein. Darauf beginnt eine Odyssee durch den Geräteschuppen, den Garten und sogar eine Kuckucksuhr, auf der May und Cody eng zusammenarbeiten müssen, um wieder menschlich zu werden. Ich habe mich selten in meiner Voreinschätzung so geirrt. It Takes Two lässt sich ausschließlich zu zweit bewältigen und ich habe ein mainstream-taugliches, lockerleichtes Hüpfspiel mit Quick Time Events und unterfordernden Rätseln erwartet. Stattdessen geht es bereits im ersten Kapitel heiß her und es werden Skills gefordert, die das aktive Mitdenken und präzise Geschicklichkeit erfordern. Das Leveldesign sprüht geradezu vor Ideen und reiht einen kreativen Gameplayeinfall an den nächsten. Jedes Kapitel erfordert eine eigene Spielmechanik: Im Schuppen kann Cody Nägel verschießen, während May den Hammer schwingt. Später werden Kämpfe gegen Wespenschwärme bestritten und Cody darf sich u. a. in Tomaten verwandeln. Wenn ihr die Möglichkeit habt, It Takes Two mit Partner oder Partnerin zu spielen: Es lohnt sich umso mehr! Aber auch ohne diesen Bonus ein Bombenspiel. 1. Inscryption (2021) Ihr erwacht in einer dunklen Hütte. An einen Stuhl gebunden, seid ihr gezwungen, mit einem schaurigen Waldschrat das Kartenspiel Inscyrption zu spielen. Irgendwann dürft ihr sogar aufstehen und euch in der Hütte bewegen und entdeckt viele kleine Rätsel - verbirgt sich neben dem Kartenspiel auch ein Escape Room hier? Warum hat der man euch gefangen genommen? Ist es möglich, aus der Hütte auszubrechen? Entwickler Daniel Mullins wurde durch sein Debütspiel Pony Island bekannt. High Concept mit einem coolen Twist und vielen Aha-Momenten. Inscryption geht deutlich weiter als das, denn im Kern steckt ein grandioses, süchtig machendes Deck Building Game mit Roguelite-Elementen. Wer Pony Island gespielt hat, wird auch hier den einen oder anderen Twist erwarten. Und wer mit solchen Konzepten nichts anfangen kann, der bricht wahrscheinlich irgendwann ab. Ich aber muss sagen: Ich würde gern mein Gehirn formatieren, um diesen Trip noch einmal ohne Vorwissen zu erleben.

  • Meine Top 10 Filme 2023

    Auch wenn in meinem Eindruck 2023 etwas schwächer als das Vorjahr war, gab es durchaus einige Highlights mit großer Bandbreite von Romantik bis zum Kaiju-Hit. Bevor wir loslegen, ein paar honorable Mentions, die es nicht in die Top 10 geschafft haben: "The Killer" von David Fincher beginnt äußerst langwierig und nervenstrapazierend mit minutenlangen inneren Monologen und komplettem Stillstand. Was sich dann entfaltet, ist ein eigenwilliger Thriller in 6 Akten, der ruhigere Töne anschlägt und von seiner Kamera lebt, gleichzeitig aber eine der brachialsten Faustkampf-Sequenzen des Jahres enthält. Ebenfalls erwähnen möchte ich "Dungeons & Dragons: Honor Among Thieves", der als locke-komödiantische Pen&Paper-Verfilmung eine Lanze für unkompliziertes Blockbusterkino gebrochen hat. Mit gut geschriebenen Gags und einem Cast, der sichtlich Bock auf das Projekt hatte, hat sich die Investition in eine Karte für mich ausgezahlt. Wer es noch abgefahrener mag, dem sei außerdem der koreanische Genremix "Alienoid" ans Herz gelegt, der eine actiongeladene Achterbahnfahrt zwischen fernöstlichem Wuxia-Film und Science-Fiction auflegt. Nun aber zu den zehn Filmen, die ich 2023 am meisten ins Herz geschlossen habe. 10. Past Lives Nora emigriert als Kind nach Nordamerika und wird Jahre später von ihrem Kindheitsfreund Hae Sung online kontaktiert, der sich stets an sie erinnert hat und sich nun Chancen auf eine romantische Beziehung verspricht. Diese lebt aber längst in einer Beziehung und hat ihre ursprüngliche Vergangenheit weit hinter sich gelassen. Der Film ist irgendwo zwischen "Eternal Sunshine and the Spotless Mind" und "Lost in Translation" einzuordnen und wirft einen sehr nüchtern-erwachsenen Blick auf Themen wie Beziehung, kulturelle Identität und Romantik. Dies ist das Regiedebüt von Celine Song, die auch das Drehbuch geschrieben hat und es ist ein beeindruckendes Debüt. Auch die super eingefangenen Bilder sind gut gelungen, lange sah New York City nicht mehr so gut aus. 9. Guardians of the Galaxy Volume 3 Beim MCU gab es vermehrt durchwachsene Darbietungen in den letzten Jahren. Lediglich auf einen ist Verlass: James Gunn. Dieser hat es vollbracht, für seine Guardians eine runde Trilogie zu drehen, die auch im Abschlussteil den Spagat aus Übertreibung, abgefahrenen Figuren und gefühlvollen Momenten meistert. Im Rampenlicht steht dieses Mal die Vergangenheit unseres pelzigen Freundes Rocket. Das Feature des Retro-Soundtracks nutzt sich zwar langsam ab, war aber wieder sorgsam ausgewählt. Ich wünsche mir, dass Disney diese Trilogie genau so stehen lässt und nicht einen x-beliebigen Auftragsregisseur einen lieblosen vierten Teil als Cash-Grab drehen lässt, aber das ist wohl genau so unrealistisch wie ein sprechender Waschbär im Weltraum. 8. Spider-Man - Across the Spider-Verse Ich saß in einem proppenvollen Kinosaal voller Menschen, die nur halb so alt waren wie ich. Noch nie war Reizüberflutung schöner. Der neue Sony Spider-Man übertrifft den Vorgänger in allen Belangen und weiß sein Tempo gekonnt einzusetzen. Es wird einem schwindelig, es wird chaotisch, es wird bunt, aber man verliert nie die Orientierung und fiebert mit. Denn die Macher*innen des Films waren smart genug, den ersten Akt des Films auf Charaktermomente und Worldbuilding zu setzen. Umso stärker wirkt dann die folgende Action, die komplett ohne Bremspedal auskommt. Nur der Cliffhanger hat mich dann doch kalt erwischt. 7. Beau is Afraid Ich oute mich direkt: Ich fand "Hereditary" und "Midsommar" fantastisch und bin ein Fanboy von Ari Aster. "Beau is afraid" war für mich der heiß ersehnteste Film des Jahres. Und er gefällt mir zugegeben nicht so gut wie die beiden erstgenannten. Aber er ist auch etwas völlig anderes. Etwas, was dabei herauskommt, wenn man Herrn Aster einen Freifahrtschein ausstellt. Mal gucken, ob er den noch einmal bekommt, denn finanziell dürfte sich das nicht ausgezahlt haben. Ein spannendes Werk über (mal wieder) Traumabewältigung und mit (mal wieder) einer genialen One-Man-Show von Joaquin Phoenix. 6. Anatomy of a Fall Der diesjährige Sieger aus Cannes konnte auch mich überzeugen. Nicht zuletzt dank der Performance von Sandra Hüller, die nach "Toni Erdmann" wieder in einem starken Arthouse-Werk brilliert. "Anatomy of a Fall" führt einen oft in die Irre und erschafft ein spannendes Gerichtsdrama, das mich (bis auf eine Szene am Ende) komplett mitgerissen hat. Darüber hinaus verfolgt mich bis heute der im Film wiederholt eingesetzte Instrumental-Remix von 50 Cents "P.I.M.P.". 5. Oppenheimer Nolan-Filme bringen für mein Empfinden immer eine gewisse Schwere mit sich. "Oppenheimer" mit seiner Machart als dreistündige Montage mit Zeitsprüngen ist aber geradezu erdrückend und lässt einen kaum durchatmen. Drei Stunden die Luft anhalten quasi. Danach ist man platt und verdaut das gesehene. Für mich ist der Film seitdem gewachsen und gewachsen. Die Machart als Montage ist definitiv hervorzuheben, es wirkt teils so, als ob man einen endlosen Trailer sieht. Dieser hat es aber in sich. Nolan spielt wieder einmal mit der Dimension der Zeit beim Geschichtenerzählen, so wie er es auch schon in "Memento", "Interstellar" oder "Tenet" getan hat - nur eben doch wieder etwas anders. Dabei geht fast unter wie gut Cillian Murphy ist. 4. Godzilla Minus One "Ist das... Godzilla?!" Ja, das ist Godzilla! So wie man als Filmfan immer von Godzilla geträumt hat. Bereits den politsatirische "Shin Godzilla" aus dem Hause Toho fand ich sehr gelungen, aber mit "Godzilla Minus One" hatte ich infolgedessen nicht gerechnet. Praktisch ohne ironische Brechung bricht die Monsterechse dieses Mal eine Gewalt los, die man so aus dem japanische Kaijufilm noch nicht kannte. Mit tragischen Figuren in einem Nachkriegsdrama. Standen bei Godzilla jemals die Figuren so sehr im Vordergrund? Definitiv nicht. Und dieses Risiko hat sich ausgezahlt, denn dieses Monsterspektakel ist richtig frisch geworden und erinnert eher an "Der weiße Hai" als an das Hollywood-Pendant "Godzilla x Kong". 3. Barbie Ich möchte gar nicht auf das Geflenne meiner Geschlechtsgenossen rund um den Feminismus in diesem Film eingehen. Ich bin froh, dass ein Mainstreamfilm, der ein Multimillionendollar-Franchise vertritt, ein paar Leuten auf die Füße treten kann. Und ich bin froh, dass mal wieder eine Komödie das Publikum in die Kinos lockt. Denn Margot Robbie und Ryan Gosling sind unschlagbar in ihrer Komik und wenn Ken in der Menschenwelt das Patriarchat kennenlernt und von Pferden träumt, geht es erst richtig los. "Barbie" ist für mich die Blaupause für moderne Mainstream-Blockbuster, die gut unterhalten und trotzdem nicht strunzdumm sind, sondern gesellschaftlichen Diskurs auf die Leinwand bringen. 2. The Banshees of Inisherin "He just... doesn't want to be friends with me any more." Und so nimmt das Drama seinen Lauf. In diesem Geniestreich über Selbstverwirklichung und die großen Fragen des Lebens können wir alle etwas lernen. Vor allem können wir aber mitfühlen, mitweinen und mitlachen, bis uns das Lachen im Halse stecken bleibt. So einfach wie die Prämisse "Ich will nicht mehr dein Freund sein" auch ist, so drastisch sind ihre Konsequenzen und so unterhaltsam, tragisch und schön ist dieser Film. 1. Babylon Es war ein finanzieller Totalflop und wurde dann noch sträflich bei den Academy Awards übergangen. Dabei hat "Babylon" nicht nur einen der besten Film-Scores der letzten Jahre, zwei der beeindruckendsten Plansequenzen aller Zeiten, eine fantastische Kameraarbeit, erstklassiges Schauspiel - nein wirklich, es ist ein richtig guter Film, der Bock macht, der mit dem System Hollywood abrechnet und der die Magie der Filmkunst zelebriert. Damien Chazelle hat abgeliefert. Der Typ ist knappe 39 Jahre alt und hat ganz frech drei der besten Filme der letzten zehn Jahre gedreht. "Babylon" ist einer davon.

  • Review: Human Target (Panini Comics, 2023)

    Tom King ist der Comicautor der Stunde. Seine Beiträge für DC Comics (Mister Miracle, Batman, Supergirl - Woman of Tomorrow) haben das Zeug zu modernen Klassikern. Neben James Tynion IV dominiert der ehemalige CIA-Agent das aktuelle US-Comicgeschäft und konnte dafür nicht wenige Eisner-Awards absahnen. In diesem Jahr gewann er den begehrten Preis zusammen mit Künstler Greg Smallwood für die "Best Limited Series" Human Target. Dies war nicht mein initialer Anlass sie zu lesen, aber Band 2 ist fast parallel zum Preisgewinn in Deutschland bei Panini Comics erschienen. In der bei DC Black Label erschienenen Miniserie aus zwölf Akten, trifft Superheldenunterhaltung auf Hardboiled-Verschwörungsthriller. Wer oder was ist Human Target? Christopher Chance alias Human Target hat keine Superkräfte, ist aber ein Meister der Verkleidung, der jedem Mission Impossible Film alle Ehre machen würde. Er nimmt die Identität von bedrohten Geschäftsleuten, Prominenten und Politikern an, um sich als menschliche Zielscheibe Kugeln einzufangen, kidnappen zu lassen oder Gift einflößen zu lassen. Er fängt Angriffe von Attentätern, Terroristen und Assassinen ab. Während sich das eigentliche Opfer in Sicherheit wiegt, nutzt Human Target die Überraschung, um Schurken direkt nach der Tat zu überführen. Wie genau er all dies überlebt und er sich täuschend echt verkleiden kann läuft meist unter dem Motto "Ein Zauberer verrät seine Tricks nicht". Im Gegensatz zur Gerechtigkeitsliga sind die Motive von Chance allerdings vor allem geschäftlicher Natur. Human Taget ist ohne Frage einer der unbekannteren DC-Charaktere, der seit 1953 regelmäßige, aber überschaubare Auftritte hatte. Sein Debüt feierte er in der Reihe Detective Comics, wo er auch bis in die frühen 80er öfters auftrat und hatte auch in den 2000ern eine eigene fortlaufende Serie bei Vertigo. Den höchsten Bekanntheitsgrad erlangte die Figur vermutlich 2010 durch eine eigene Fernsehserie, die hierzulande bei Pro7 lief und nach zwei Staffeln eingestellt wurde. Auftraggeber: Lex Luthor Dass Christophers Interessen vor allem finanzieller Natur sind und er kaum moralische Bedenken bei der Auswahl seiner Kunden hat, finden wir zu Beginn der Geschichte heraus: Nachdem er sich eine Kugel für Lex Luthor einfängt und den Attentäter zur Strecke bringt, nimmt sein abgeschlossen geglaubter Auftrag eine unerwartete Wendung: Eine für Luthor vorgesehene Tasse mit vergiftetem Kaffee landet in seinen Fingern. Chance wird totkrank, ihm bleiben noch zwölf Tage zu leben. Er beschließt dies zu seinem letzten Fall zu machen. Wer wollte Luthor vergiften? Wer hat stattdessen ihn ermordet? Seine Ermittlungen führen ihn zur Justice League International und in eine Affäre mit der JLI-Heldin Ice, die ihn daraufhin bei seinen Nachforschungen begleitet. Beide misstrauen einander trotz gegenseitiger Zuneigung, denn Christopher deckt nach und nach die Macken einer unperfekten Heldengruppe auf, die mit der gottgleichen Erscheinung einer Justice League wenig gemein hat und in der jedes Mitglied verdächtig ist. Ein vertracktes Spiel: Heldenfiguren sind bei King mehr als Archetypen Was Tom Kings Arbeit für mich auszeichnet ist seine Herangehensweise an Charaktere. Figuren, die oft nur Karikaturen sind, erhalten Hintergründe aus denen sich klare Motive und Charakterzüge ableiten. Alle Figuren verfolgen eigene Interessen, stehen in komplexer Beziehung zueinander und haben persönliche Ziele. Dies wird erzählerisch so gekonnt verpackt und stückweise enthüllt, dass man als Leser nicht nur gespannt am Ball bleibt, sondern stets die Übersicht behalten kann. Human Target ist kein chaotisches Verwirrungsspiel mit Auflösungen, die wie Karl aus der Kiste kommen. Plot-Punkte bauen logisch aufeinander auf, Mitdenken lohnt sich und ist äußerst befriedigend. Besonders schön ist, dass Figuren aus der zweiten bis dritten DC-Reihe eine große Bühne erhalten. Guy Gardner, Booster Gold, Martian Manhunter, Ice und Fire. Beispiel Guy Gardner, der als Green Lantern seit vielen Jahren dabei ist: Oft nur Sprücheklopfer für One-Liner, Haudrauf-Kumpane von Hal Jordan, der auf einem kleinen Teil einer Splash-Page mit grüner Energie auf Schurken eindrischt. In Human Target ist Guy Gardner ein ausgemachtes Ekelpaket, das als Ex-Mann von Ice auftritt, ihr Leben kontrollieren will und sich als Macho aufspielt. Er ist eifersüchtig und gewaltbereit. Was für eine fatale Mischung für eine Green Lantern, die das Universum schützen soll. Kings Interpretation von Gardner ist unsympathisch, unangenehm und bedrohlich - trotzdem aber nachvollziehbar. Sie wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben. Die schillerndste Figur ist ohne Frage Ice, die viel mehr als nur Love Interest ist. Ihre Romanze mit Christopher im Stile alter Film Noir Filme und Hardboiled-Krimis wirkt nur manchmal aus der Zeit gefallen - insgesamt wird bewusst mit den Tropes aus den Werken dieser Ära gespielt und offensiv umgegangen. Angenehm diffus schwankt ihr Verhältnis mit Chance immer wieder zwischen Vertrauen und Misstrauen - die beiden öffnen und verschließen sich voreinander immer wieder, was das Detektivspiel durch die Dialoge der beiden stets unterhaltsam macht. Greg Smallwood: Herausragende Comickunst Die Geschichten von Tom King besitzen oft eine streng geordnete Struktur der Panels, parallele Linien und eine Art Raster-Look dominieren. Um diesen statischen Look mit Leben zu füllen, wurde mit Greg Smallwood ein Künstler verpflichtet, der das so grandios meistert, dass ich mir keine Alternative vorstellen möchte. Er zeichnet sich für Bleistift, Tusche und Farbe verantwortlich und bringt ein Highlight nach dem anderen. Bereits die Farbwahl ist geschmackvoll und am Puls der Zeit. Alles ist stets in einem Wachsmalstil gehalten, bei dem besonders die Cover hervorstechen. Die Bilder verleihen der Geschichte ein Gefühl, das sich aufgrund des Hardboiled/Noir-Charakters wie der Gegenentwurf zu Frank Miller anfühlt - anstelle von tiefem Schwarz, Trostlosigkeit und Düsternis ertränkt Smallwood die Welt in gleißendem Licht und grellen Farben mit starkem 60s-Vibe. Mir persönlich war Mister Smallwood bis dahin unbekannt, seine bekanntesten Arbeiten sind Marvels Moon Knight (mit Jeff Lemire) und diverse Cover Artworks für u. a. Star Wars. Ich werde ab jetzt die Augen aufhalten, wenn sein Name auf einem Band steht, denn Human Target ist einer der schönsten Comics, die ich bislang gelesen habe und das sage ich ohne Übertreibung. Fazit: Human Target muss man lesen Auch wenn mein Fazit eine unkritische Lobhudelei ist: Ich kann nur wenige Kritikpunkte finden. Klar, man könnte die Beziehung zwischen Ice und Christopher mit noch mehr Tiefe ausstatten, wahrscheinlich hätte man ihre Figur gerade in Anwesenheit des eifersüchtigen Guy Gardner wehrhafter und damit zeitgemäßer gestalten können. Es wird stattdessen viel mit Noir/Hardboiled Genremerkmalen gespielt und offensiv umgegangen. Human Target ist ein extrem frischer Take auf den Superheldenkosmos mit tollem Artwork und klasse Pacing, das von vorne bis hinten wahnsinnig viel Spaß macht. Es addiert jenseits des Kanon neue Facetten zu bekannten Charakteren und bietet eine Art von Agenten-Thriller, die man sonst wohl am ehesten im Universum des dunklen Ritter finden würde. Dieser wird übrigens auch besonders interessant in Human Target inszeniert. Es lohnt sich.

  • Review: Stories Untold (PC, 2017)

    Stories Untold verspricht eine Compilation aus vier Episoden experimenteller Adventures, die sich als Hommage an die alten Zeiten der Text-Adventures verstehen. Entwickler NoCode und Publisher-Liebling Devolver Digital zeigen, wie man gekonnt auf der 80er Retro-Welle surft und eine immersive Spielerfahrung bietet. Inception lässt grüßen: Das Spiel im Spiel Bereits beim Start der ersten Episode wird klar, woher der Wind weht: Es startet eine Art Serienintro, dessen Soundtrack und Schriftart stark von Stranger Things inspiriert zu sein scheinen. Dazu fährt die Kamera über Tape-Decks, Analogmikrofone und Röhrenbildschirme. Das mysteriöse 80s-Retro-Setting ist gesetzt. Wenn das Intro vorbei sitzen wir an einem Schreibtisch: Ein alter Spielecomputer wurde hochgefahren und das Spiel "The House Abandon" gestartet. Interaktion mit dem Schreibtisch ist nicht möglich, wir können aber per Texteingabe das Adventure auf dem Röhrenmonitor spielen. Also ganz Oldschool ohne Maus, ohne Grafik. Es wird eine Geschichte gespielt und wir können mit Befehlen wie "Look around", "Open door" oder "Use key" unsere Figure bewegen, um einen kleines Gruselspiel zu bewältigen. Als einsamer Protagonist lösen wir ein paar kleine Rätsel erforschen das Haus und starten eine Geschichte. Das ganze ist wirklich klein - hier ufert nichts aus und Episode 1 werden geübte Spieler wahrscheinlich in 20-30 Minuten gelöst haben. Spannend wird es ab dem Punkt, an dem sich Details des Textadventures mit eurer räumlichen Umgebung (also dem Schreibtisch) vermischen. Auch wenn es nur Geräusche im Hintergrund des Hauses oder ein Flackern der Lampe sind. Die Effekte werden reduziert, aber effektiv eingesetzt und es kommt ordentlich Gruselatmosphäre auf. Es steht immer mehr die Frage im Raum, inwieweit die virtuelle Spielwelt von Stories Untold mit der virtuell-virtuellen Spielwelt von "The House Abandon" verwoben ist. Genau diese Verwebung der einzelnen Layer zu erforschen, macht einen Großteil der Spannung aus. Und dies setzt sich auch in den folgenden drei Episoden fort. Die Evolution des Geschichtenerzählens Was mir an Stories Untold imponiert, ist die gelungene Verknüpfung verschiedener Erzählstile. Ohne dass wir es merken, wird die immer tiefer werdende Story auch in ihrer Erzählweise und Spielform erweitert. Während zu Beginn die Textform dominiert, kommen später Point & Click Passagen, Sprachausgabe und Erforschung aus der Egoperspektive hinzu. Jedes Element wird sehr sparsam dosiert, sodass wir uns nie wirklich an ein Konzept gewöhnen können bevor das Stories Untold vorbei ist. Ein roter Faden aller Episoden ist die Bedienung analoger Technik. Beginnend mit dem 80er-Computer, müssen wir bspw. Maschinen im Forschungslabor oder ein Funkgerät einsetzen. Die Interkation mit den Geräten wird nie allzu kompliziert, oft befolgen wir Anweisen, lesen Gebrauchsanweisungen und setzen um, was vorgegeben wird. Wer Kopfnüsse à la Monkey Island erwartet, wird hier enttäuscht. Es handelt sich eher um die Lightversion eines Escape Rooms mit Fokus auf Story. Und die hat tatsächlich einige unvorhersehbare Wendungen und clevere Verzahnungen parat, die uns vor den Monitor fesseln. Ein audiovisueller Sog Stories Untold bietet ein sehr reduziertes Setup, was Grafik und Sound angeht. Es gibt nur wenige Umgebungen und auch Musik kommt rein quantitativ nur dezent zum Einsatz. Allerdings wird alles, was wir zu sehen und hören bekommen, wirklich hervorragend eingesetzt. Die große Stärke des Spiels ist die Atmosphäre die kreiert wird. Raschen von Funksignalen, klapprige Schalter und knallende Türen: Man hat das Gefühl, sich hier mittendrin zu sein. Dazu wabern Synthi-Klänge im Hintergrund, werden je nach Spannung immerwährend lauter und spannen einen stimmungsvollen Bogen. In den 90ern wäre Stories Untold wahrscheinlich ein FMV-Adventure auf dem Sega Mega CD mit dilettantischen Darsteller*innen geworden. Wir dürfen froh sein, dass hier jedes Stück Sprachausgabe und jeder Polygon der Umgebung wirklich on point ist. Die Stimmung wird durch die technische Umsetzung zu keiner Zeit gebrochen. Ein paar mehr Details in der Interaktion wären dennoch wünschenswert gewesen. Dass viele Klicks auf die Raumdekoration komplett ohne Feedback bleiben, ist ein bisschen schade. Kein großes Manko, aber hier wäre Luft nach oben gewesen. Fazit: Wenige, aber intensive Stunden Stories Untold ist das perfekte Spiel für einen einsamen Abend am heimischen Computer. Licht dimmen, Kopfhörer auf und komplett eintauchen. Die Spielzeit ist mit 2-3 Stunden leider sehr knapp bemessen, dafür gibt es aber nicht einen einzigen Pixel Ballast. Mir wird die Erfahrung noch lange im Gedächtnis bleiben, denn am liebsten würde ich direkt weitermachen und neue Episoden in diesem Mikrokosmos starten. Umso erfreulicher, dass der Entwickler No Code gerade an einer Fortsetzung zu Silent Hill arbeitet - man darf gespannt sein.

  • Wie Super Mario und The Last of Us die Zukunft der Gaming-Filme verändern

    Es ist Mai 2023. Der Super Mario Bros. Film hat ein internationales Einspielergebnis von über 1 Mrd. US-$ geknackt und ist (vier Wochen nach Premiere) einer der 25 erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Wenige Monate zuvor hat die Serie zum Actionspiel The Last of Us den zweitbesten Serienstart der Dekade bei HBO hingelegt. Ab jetzt ist es offiziell: Gaming-Umsetzungen funktionieren nicht nur, sie spielen in der obersten Erfolgsliga. Es kann als bewiesen gelten, dass es um einen Kuchen geht, von dem milliardenschwere Stücke geschnitten werden. Spannend dürfte ab jetzt die Frage werden: Wie geht dieser Trend weiter? Denn klar, dass nicht nur Nintendo weitere Stück von diesem Kuchen will, sondern Filmstudios und Spiele-Publisher ab jetzt jeden Stein nach weiteren vielversprechenden Marken umdrehen werden, um mehr auf uns loszulassen. Sei es Kinofilm oder Serie, es dürfte jetzt erst richtig losgehen. Denkbar ist sogar ein ähnlicher Hype, wie ihn Iron Man für Superhelden losgetreten hat. Gaming-Umsetzungen werden die neuen Comicverfilmungen. Ein steiniger Weg zum Mainstreamerfolg In den vergangenen Jahren wurden bereits zahllose Verfilmungen mit schwankender Qualität auf uns losgelassen. Von Monster Hunter mit Mila Jovovich, über die Halo-Serie bis hin zu Arcane auf Netflix. Es hat drei Dekaden gedauert, bis die Studios sich vom ersten Mario-Schock mit Bob Hoskins erholt haben. Nachdem der überbudgetierte und völlig am Ziel vorbei gefilmte Versuch einer Adaptierung auf allen Ebenen gescheitert war und heute bestenfalls als Edeltrash konsumiert werden kann, musste das Genre, wenn man es denn so nennen will, erst einmal kleine Brötchen backen. Die weiteren Versuche von Hollywood, aus Videospielen Kapital zu schlagen, sind zunächst lieblose Industrieerzeugnisse ohne Verständnis der Vorlage, geschweige denn Leidenschaft für diese. Dementsprechend volatil sind auch die Resultate: von guten Einspielergebnissen (Mortal Kombat von Paul W. S. Anderson) bis zu kolossalen Flops (Wing Commander). Die Filme aus den 90ern besitzen diskutablen Unterhaltungswert, nehmen aber Fans und Vorlage meist nicht ernst. Ab 2000 zeichnet sich ein verändertes Bild mit zwei wichtigen Ausprägungen: Erstens betritt die Bühne: Uwe Boll, heute berüchtigt als schlechtester Regisseur aller Zeiten. Der Deutsche wittert die Chance, günstig an Spielelizenzen zu kommen, verpflichtet durch trickreiches Management hochkarätige Stars wie Ben Kingsley und Jason Statham für Low Budget Verfilmungen von Bloodrayne oder auch Dungeon Siege. Kritiker zerreißen die Werke, für Fans der Spiele wird der Regisseur schnell zur Hassfigur. Dieser macht weiter und veröffentlicht ganze 11 Filme, die auf Spielen basieren und auf niedrigem Niveau durchaus profitabel sind. Man kann behaupten, dass unter ihnen nicht ein einziger vernünftiger Film ist und Uwe Boll maßgeblich zum schlechten Ruf der Gaming-Filme als niveaulose Nische beigetragen hat. Dem gegenüber stehen in dieser Dekade erste Erfolge: 2001 kommt mit Angelina Jolie in der Hauptrolle Tomb Raider in die Kinos und macht beinahe 300 Mio. $ an der Kinokasse. Ein Jahr später macht der bereits durch Mortal Kombat erfahrene Paul W. S. Anderson die bekannte Resident Evil-Reihe zum Actionfilm. Auch wenn die Unterschiede zur Playstation-Vorlage gravierend sind, bringt es der erfolgreiche Zombiestreifen auf fünf Fortsetzungen unter Andersons Regie. Auch nicht-gaming-affines Publikum wird angezogen. Aber auch wenn die genannten Erfolge, zu denen man auch noch Silent Hill addieren darf, auf eine positive Entwicklung in dieser Ära hindeuten: Gigantische Misserfolge bleiben nicht aus. Mahnmal dieser Zeit ist Final Fantasy, bei dem sich Entwickler Squaresoft durch die Finanzierung des Films fast um die Existenz bringt. Mit einem Verlust von rund 90 Mio. $ konnte nur noch ein Merger mit der Spieleschmiede Enix das angeschlagene Studio retten und ist seitdem auch als Square-Enix bekannt. Aufgrund der vielen weiteren Flops wie Max Payne oder Warcraft galt bis vor kurzem die Regel: Videospiele können mit kleinen und mittelgroßen Budgets durchaus respektable Ergebnisse erzielen, für die erste Liga reicht es nicht. Zu riskant und wenig planbar erschienen die Aussichten, hohe Summen profitabel zu investieren. Und Planbarkeit ist eines der höchsten Güter für Hollywoods Filmindustrie. Das ist nun passé und die Blaupausen zum Blockbuster liegen auf dem Tisch. Sonic, Detective Pikachu und die LoL-Serie Arcane haben den Weg bereitet, Nintendo und Sony ernten die ersten großen Früchte. Für Sony kann es dabei zum Vorteil werden, dass es Filmstudio und Spieleentwickler unter einem Dach vereint. Gaming ist heute ein Massenmarkt Mit Blick auf die Spieleindustrie hat sich natürlich einiges verändert seit den frühen 90ern. Nicht nur ist der Durchschnittsspieler heute zwanzig Jahre älter und bietet ein größeres Potential. Auch Spiele haben sich entwickelt und wurden technisch so ausgefeilt, dass sie so cineastisch inszeniert werden wie Hollywoodfilme. The Last of Us war praktisch schon ein interaktiver Film mit Action-Sequenzen. Für Marken wie Uncharted und Assassin's Creed gilt das gleiche. Nicht zuletzt E-Sports, MMOs und Mikrotransaktionen haben die Gamingbranche zu einem Riesen wachsen lassen, der heute mehr Umsatz macht als Film- und Musikindustrie zusammen. 2021 lag das Gesamtvolumen bei 180 Mrd. $. Dass dieser Markt Hollywood als Katalysator zu weiteren Umsätzen dienen kann, hatte sich also durchaus abgezeichnet. Man sollte aber nicht unterschätzen, dass Casual Gaming hier eine große Rolle spielt. Das Geld sitzt nicht nur bei Mario, Link und Sonic, sondern vermehrt bei Candy Crush und Clash of Clans. Dass es auch die Angry Birds bereits auf die Leinwand schafften, ist also kein Zufall oder besonders gewagtes Unterfangen. Die Zielgruppen dieser "Spielchen" sind gigantisch. Wie groß das Involvement in diese ist, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Und auch die derzeit größte Gaming-Marke der Welt, Minecraft, wird gerade von Warner verfilmt. Welche Filmstudios und Entwickler sind relevant? Die größten Schätze dürften sich aktuell bei Nintendo heben lassen. So behutsam hat der japanische Entwickler seit dem Desaster mit Hollywood 1993 seine Marken gehütet, dass kaum eine Third Party mit ihnen arbeiten durfte. Abgesehen von Pokémon, das als Anime seit Jahren erfolgreich ist und einer uralten Mario Cartoonserie, gab es praktisch keine Verfilmungen (wobei Nintendo nur einen Teil der Pokémon Company besitzt). Fans auf Reddit spekulierten bereits auf ein Nintendo Cinematic Universe mit Zelda, Metroid und Starfox, das in einem Smash Brothers "Endgame" münden könnte. Aktuell arbeitet man aber bei den Detective Pikachu Filmen mit Legendary Pictures zusammen, wodurch schon erste Lizenzprobleme auftauchen können. Klar ist aber, wer eine Milliarde macht, will auch eine zweite machen. Angekündigt wurde noch nichts, aber um einen zweiten Mario-Film kommen zu sehen, braucht man keine Kristallkugel. Und auch Zelda ist ein gigantisches Spielefranchise, das immer starkes Storytelling hatte. Mit Illumination und Universal stehen zwei kompetente Partner bereit, deren Zusammenarbeit voll aufgegangen ist. Alles andere als eine Fortsetzung dieser Kooperation wäre betriebswirtschaftlicher Irrsinn - wir wissen aber auch um die sorgfältigen Abwägungen und Vorsicht, die das japanische Traditionsunternehmen auszeichnen. Schnellschüsse sind nicht zu erwarten. Bei Sony ist die Lage eine etwas differenziertere. Die Firma versteht sich vor allem als Elektronikkonzern mit Technikkompetenz und weniger als Spieleerfinder. Dementsprechend weniger charismatische IPs lassen sich auf den ersten Blick finden. Durch Sonys Anteile und guten Verbindungen zu vor allem japanischen Entwicklern sowie dem eigenen Filmstudio tun sich aber viele Möglichkeiten auf. Und unter den hauseigenen Produktionen gibt es bereits eine große Ankündigung: 2024 soll Ghost of Tsushima ins Kino kommen. Auch Horizon und God of War drängen sich nahezu auf, für erstgenanntes Spiel ist bereits eine Serie in Kooperation mit Netflix geplant, der Gott des Krieges wird bei Prime Video starten. Aber auch die Beziehungen zu Drittentwicklern, deren Spiele Sony exklusiv veröffentlicht hat, bieten Chancen. Mit dem Animationsabenteuer Ratchet & Clank hat man vor wenigen Jahren eine starke Marke bereits verbraten, indem man sie einem fremden Filmvertrieb anvertraute. Offensichtlich war das Vertrauen in den Erfolg noch nicht groß genug, vielleicht hat daraus ja die Lehre gezogen, sich bei Sony selbst um Eigenmarken zu kümmern. Richtig spannend wären Filme/Serien zu Bloodborne oder weiteren Souls-Titeln. Hier hätte Sony bei Interesse die besten Karten. Angekündigt und topaktuell ist daneben die Verfilmung zu Gran Turismo. Wenn man im Hause Sony richtig groß denkt, ließe sich auf Basis der GTA-Lizenz sogar ein neues Action-Franchise als Konkurrenz zu Fast & Furious aufbauen. Als weiteres Studio wird weiterhin Paramount eine Rolle spielen. Die Sonic-Filme waren durchaus erfolgreich und die Kooperation mit Sega geht bereits weiter: Neben Sonic 3 (2024) und einer exklusiven Knuckles-Serie auf Paramount+ wurde die Lizenz für Yakuza an Land gezogen. Mit Sonic wird das Potential der bekanntesten Sega-Marke allerdings schon ziemlich ausgereizt. Weitere Möglichkeiten wie Crazy Taxi oder Phantasy Star taugen bestimmt für interessante Genrefilme, aber dürften keine Rekorde an den Kinokassen versprechen. Und die bekannte Prügel-IP Streets of Rage ist bereits zu Lionsgate gewandert, wo John Wick Schöpfer Derek Kolstad an einer Verfilmung schraubt. Netflix arbeitet als reiner Streaminganbieter aktuell mit einer Vielzahl von Entwicklern zusammen (mal mehr, mal weniger erfolgreich): EA, CD Project Red, Sega, Ubisoft und viele mehr haben bereits die Bibliothek mit Serien gefüllt. Es kann aber auch als Distributionsplattform mit den bekannten Filmstudios zusammenarbeiten, die keinen eigenen Streamingdienst besitzen. Erfahrung mit Spieleumsetzungen sind bereits reichlich vorhanden. Castlevania, The Witcher und Arcane sind die Paradebeispiele. Angekündigt sind Live-Action- und Animationsserien zu u. a. Assassin's Creed, Tomb Raider, Splinter Cell und The Division. Auch wenn es qualitativ manchmal nach Hit & Miss aussieht, konnte Netflix besonders im Anime-Bereich oft überzeugen. Bleibt noch der größte Player auf dem Markt übrig: The Walt Disney Company. Disney dürfte wenig Interesse an der Akquise von Games-Lizenzen haben, zu viele starke IPs tummeln sich bereits im Portfolio. Das heißt aber nicht, dass sie die Nostalgie erwachsener Gamer nicht als Marketingtool nutzen möchten. Der Mega Drive Klassiker Castle of Illusion bietet einen spannenden Micky Maus Stoff. Und nicht vergessen sollten wir Kingdom Hearts, die Spielereihe, die alle Charaktere von Disney und Final Fantasy vereint. Seit 2020 hält sich das Gerücht, dass eine Serie für Disney+ in Arbeit sei. Disneys Schwesterfirma 20th Century Fox hat in der Vergangenheit durchwachsene Erfahrungen gesammelt. Hitman und Assassin's Creed performten ganz solide, während Far Cry und Max Payne ziemliche Rohrkrepierer waren. Aktuell hat man einen Untitled Pacman Movie ohne Release in der Pipeline und auch vom 2013 angekündigten Mega Man Film hat man nichts mehr gehört. Es besteht Aufholbedarf. Wer geht gestärkt aus den aktuellen Erfolgen hervor? Aus den aktuellen Erfolgen gehen diverse Akteure gestärkt hervor. Schauen wir uns Chris Pratt an: Als Synchronsprecher von Mario und Hauptdarsteller in Guardians of the Galaxy Vol. 3 führt er die Kinocharts aktuell gleich doppelt an. Damit wird er in Hollywood zu einem der größten Erfolgsgaranten ever. Nicht, dass er vorher schlecht dastand, aber jetzt steht er ganz oben auf dem Treppchen und erhält vermutlich täglich Millionenangebote. Und seien wir ehrlich: Auch wenn Mario im Titel ist, steht Prinzessin Peach ihm im Film in nichts nach. Sprecherin Anya Taylor-Joy setzt ihre beeindruckende Erfolgsserie ungehindert fort und stößt vom Jungstar in die A-Liga der Stars vor. Die Karriere mit Projekten von The Witch, The Menu und Queen's Gambit bis zu Mario ist eine starke Visitenkarte. Last-of-us-Star Predro Pascal dürfte sich vor guten Angeboten ebenfalls nicht retten können. Nach seiner unvergesslichen Rolle in Narcos hatte er viele solide bis gute Rollen, aber mit nun zementiert er seinen Stellenwert und zeigt, wie er sowohl einen Film tragen kann und gleichzeitig den weiteren Cast scheinen lässt. Zuletzt noch ein Blick nach Kalifornien: Für das Animationsstudio Illumination sieht es rosig aus. Endlich hat man neben Minions ein weiteres richtig fettes Standbein aufgestellt. In der Zusammenarbeit mit Universal und Nintendo lässt sich eine ernste Konkurrenz zu Disney bilden, zumindest im Kino. Wenn man es schafft, weitere Nintendo-IPs zu bekommen, steht eine große Zukunft an. Klar ist aber vor allem eines: Wir als Zuschauer werden in den kommenden Jahren in Spieleumsetzungen ertrinken.

  • Superhelden-Stories: Wie entkommen wir dem Irrsinn der Multiversen?

    Das Leben mit Superkräften muss wirklich anstrengend sein. Immer wieder steckt man in der Krise. Und das meist in einer galaktischen, multidimensionalen Krise, die mit der Zerstörung von allem und der Neusortierung der Universen endet, um dann von vorne zu beginnen. Wie Sisyphos, der seinen Fels mühsam den Berg hinaufschiebt, um zu scheitern und von neuem zu beginnen, so sind auch die Superhelden-Comics in einer nicht enden wollenden quälenden Schleife gefangen. Diese Krisen haben nicht nur, aber vor allem bei DC Comics Tradition. Krisen unendlicher Erden, endlose Krisen, Identitätskrisen und mein Favorit, die "Final Crisis", die alles andere als endgültig war und lediglich in noch mehr Krisen mündete. Nun also die dunkle Krise. Vor kurzem ist in Deutschland die #1 des Dark Crisis Megaevents erschienen, die wie immer viele Einzelausgaben, Trade Paperbacks, Preludes und Monster Editions umfassen wird. Ich bin nach der Lektüre von Ausgabe 1 in mich gegangen und habe überlegt: Warum dieser Multiversums-Fetisch? Macht es für uns Lesende einen Unterschied, ob die Geschichten in einem Universum, Multiversum oder neuerdings Omniversum stattfinden? Wie tiefgreifend sind die Veränderungen nach diesen Events? Werden Geschichten durch die Gigantomanie der Verantwortlichen wirklich besser? Und haben Parallelwelten wirklich nicht mehr zu bieten als die gleichen Helden mit anderen Frisuren? Meine These: ich würde viel lieber mal über eine Midlife Crisis lesen. Für meinen Einstieg in die Superhelden-Comics hab ich damals einen denkbar komplizierten Weg gewählt: beim Stöbern auf eBay hab ich mir den Leckerbissen Infinite Crisis #1 rausgepickt (Das Variant-Cover war so cool!). Als ich realisiert habe, dass diese Ausgabe ohne Vorwissen praktisch unmöglich zu lesen ist, begann meine Odyssee. Viele ausgegebene Euros später hatte ich 5 Monster Editions, eine 7-teilige Heftserie, zwei Sonderhefte und acht Sonderbände von Justice League und Co. bei mir im Regal stehen. Eigentlich ein Wunder, dass mich das nicht so sehr abgeschreckt hat, direkt wieder Kehrt zu machen. Aber ich fand das spannend. Nicht nur hatte ich nach der Lektüre einen gesunden Fundus an Nerdwssen über das DC-Universum. Das Konzept solcher Events, verschiedener Realitäten und einem Start aller Serien in einem neu strukturierten Kosmos war irgendwie faszinierend. Ein paar Jahre später gab es dann Flashpoint, ein Event mit ähnlichen Konsequenzen für die Timeline (wenn auch nicht ganz so ausufernd für Sammelnde). Und nach Flashpoint wurden alle laufenden Serien auf Ausgabe 1 zurückgesetzt. Man merkt schon, der Hauptanreiz dieser Events liegt besonders im Sinne der Verlage: Komplettisten kaufen sich das ganze Event zusammen . Wer mehr wissen will, kauft zusätzlich die vorausgehenden Ausgaben und Bände, die zu diesem Event hingeführt haben. Danach Neustart: Eine #1 verkauft sich erfahrungsgemäß am besten (oder seid ihr schon einmal bei #46 in eine Serie eingestiegen?) Die Ursprünge dieser Entwicklung rühren ehrlicherweise nicht aus einer kreativen Vision, sondern aus den Verkaufszahlen. Denn als Crisis on Infinite Earths 1985 den ersten Reboot eines Superhelden-Multiversums einläutete, war die Motivation folgende: Die Verkäufe liefen bereits seit den 70ern immer schlechter. Die Last der Jahrzehnte voller Parallelwelten und alternativer Superhelden war zunehmend komplex geworden und Comic-Neulinge griffen immer bevorzugter zu Marvel, wo es diese Komplexität (noch) nicht gab. Der Plan, mit einem Event aufzuräumen, Ballast abzuwerfen und auf der grünen Wiese neu durchzustarten, ging auf. Die Verkäufe gingen wieder hoch. Inspirierend für Crisis on Infinite Earths dürfte ironischerweise ein Marvel-Event gewesen sein, denn Marvel's Secret Wars machte 1984 vor, wie man ein episches Crossover inklusiver einer Vielzahl von Helden inszenierte. Secret Wars hatte aber nicht die gleiche Relevanz für die Kontinuität oder hätte gar ein Reboot als Folge gehabt. Selbstverständlich stand Marvel aber eine Dekade später vor dem gleichen Problem wie DC und drückte mithilfe von Heroes Reborn den Reset-Button. Und seither sind beide Verlage in einem nie enden wollenden Zyklus aus Crossover-Event-Reboots gefangen. Die Verlage verdienen gut, die Leser behalten die Übersicht: Win-Win? Die Problematik besteht aus meiner Sicht darin, dass (besonders bei DC) der Gag langsam alt ist. Streichen wir das "langsam", er ist wirklich uralt. Ein Blick in Dark Crisis #1 zeigt, dass es weder künstlerisch noch erzählerisch neue Kniffe gibt und die Story nicht viel mehr ist, als "alle Superschurken greifen auf einmal an - was sollen wir tun?". Versteht mich nicht falsch, der Comic sieht zeichnerisch so aus, wie ich meinen DC-Superhelden-Comic mag und ich werde auch die #2 abgreifen, weil ich gespannt bin, welchen Weg die Story noch nimmt. Ich möchte auch nicht zu vorschnell urteilen. Aber es wirkt alles leider arg bekannt. Auch was den eigentlichen Zweck solcher Events angeht, nämlich das Multiversum zu entschlacken, habe ich wenig Hoffnung auf sinnstiftende Neuerungen. Nach Flashpoint hatte ich durchaus das Gefühl, dass alles erfolgreich verschlankt wurde. Aber wenn es danach alle 5 Jahre ohnehin Rebirth, Convergence oder nun Dark Crisis heißt, ist dieses Reinemachen nicht nachhaltig. Hinzu kommt, dass die Redakteur*innen nach ihren Reboots gerne merken, dass nicht alle Änderungen von Vorteil waren, um sie dann mit einem weiteren Event wieder zu retconnen. Um bessere Beispiele zu zeigen, verweise ich gerne auf eigentlich alle Manga oder Serien wie "Invincible", die zeigen, wie eine Superhelden-Continuity funktionieren kann, ohne überkomplex zu werden. Jetzt mag man mir vorwerfen, dass dort auch nicht hunderte Künstler an den Comics arbeiten, worauf ich gerne erwidere: ja, vielleicht wäre ja gerade das der Schlüssel. Außerdem demonstrieren u. a. die Turtles-Comics und Star Wars (ab 2015) , dass Kontinuität und Künstlervielfalt ohne regelmäßiges Retconning und Rebooting funktionieren kann. Und noch eine Idee: Vielleicht müssen gar nicht 15 Batman-Serien parallel erscheinen. Ich übertreibe? Überhaupt nicht, anno 2023 sieht die Landschaft der laufenden Batman-Reihen folgendermaßen aus: Batman Batman - Detective Comics Batman - One Bad Day Batman - Gotham Knights Batman/Superman: World's Finest Batman: Knightwatch Batman: The Adventures Continue Batman Incorporated Batman: Legends of Gotham Batman: Fortress Batman: Urban Legends I Am Batman The Batman & Scooby-Doo Mysteries Batman & The Joker Batman vs. Robin Dies sind übrigens die amerikanischen Veröffentlichungen nach Dark Crisis, soviel zum großen Reinemachen. Welche Konsequenzen haben denn Reboots? Eine berechtige Frage. Neben Beziehungen zwischen Charakteren (z. B. Supermans Hochzeit), Todesfällen oder der Existenz einzelner Held*innen wurde auch die Struktur des Multiversums immer wieder angepasst. Nach Infinite Crisis bspw. wurde das DC Multiversum neu geordnet und bestand aus genau 52 Universen. Dazu gibt es auch eine wunderbare Karte von Grant Morrison: In späteren Events wurde dieses Konzept wieder verworfen. So existierten dann nicht nur unbegrenzte Universen, sondern sogar unendlich viele Multiversen als Teil eines Omniversums. Meine Frage dazu: warum dieser Krampf? Für spannende Stories ist es völlig unerheblich, wie viele Omniversen es gibt und ob irgendwo ein Dark Multiverse oder ein Wildstorm Multiverse existiert. Dass im Writer's Room bei DC Comics gewisse Regeln gelten, an die sich Schreibende halten sollen: Haken dran. Aber ich möchte gar nicht, dass dieses Regelwerk, das in Wirklichkeit ein Werkzeug zum Ordnen der Welt darstellt, zur Kernthematik aller Geschichten wird. Und dieses Regelwerk hat ohnehin keinerlei Glaubwürdigkeit mehr, da jeder weiß, dass in 5 Jahren die nächste Krise alles neu ordnen muss, weil es zu viele Ausnahmen gab und DC einen Sales Push braucht. Das war, wie oben beschrieben, einige Male spannend und interessant, verkommt aber zum Selbstzweck. Hinzu kommt die hanebüchene Unkreativität, mit der sich dem Konzept von Parallelwelten angenommen wird. Es wird ja sehr oft mit Vokabeln wie Infinite, Multi und Omni um sich geworfen, aber wenn das unendliche Vorstellungsvermögen der Multibegabten bei DC nur dazu führt, dass es einen Superman mit grauen Schläfen und einen Mix aus Batman und Joker gibt, dann schenkt euch das Konzept. Auch der letzte Marvel-Erguss in Filmform zum Thema Multiversity hat nicht viel mehr geboten: ein paar bunte Welten hier, eine zerstörte Welt dort, meist nur für wenige Minuten kurzer Schauwerte ohne echten Einfluss auf die Story. Alles in allem ist das nicht unendlich kreativ, sondern seit Jahrzehnten gelernt, voraussehbar formelhaft und nur in seiner Inkonsistenz konsistent. Mein Pitch für DC Comics: Midlife Crisis on a single Earth Was ich viel lieber lesen möchte als 250 Held*innen in Spandex durch die Galaxie schießen zu sehen: Clark Kent in der Midlife Crisis. Was geht nach Jahren der Superkämpfe in ihm vor? Was denkt er, wenn er am Frühstückstisch das Konkurrenzblatt vom Daily Planet liest? Macht Flash Yoga und Meditation, um zu entschleunigen? Was macht es mit Batman, dass der rechtzeitige Gang zur Therapie ihm ein normales Leben ermöglicht hätte? Die für mich interessanteste DC-Crisis von allen war für mich eine, die oft übergangen wurde: Identity Crisis von Brad Meltzer. Hier geht es nicht um die Zerstörung von allem und jedem durch Typen, die so richtig böse sind. Es geht um einen tiefen Vertrauensbruch innerhalb der Justice League. Und hier wurde das Kunststück vollbracht, allen Superheld*innen genug Raum einzuräumen. Kurz gesagt: Lieber tiefere Entwicklung einzelner Kernfiguren als gigantische Storylines, in der jede Figur zwei Sätze beisteuern darf, um den Plot voranzutreiben. Lieber ein paar Seiten Platz für einen echten Dialog als die nächste Doppelseite voller Laserstrahlen. Konsequente Weiterentwicklung der Charaktere wie im Manga - zumindest für 10 Jahre einmal. Das Thema Multiversen und Alternativ-Erden darf gerne ausgespart werden. Ich höre schon die Stimmen "Aber Erde Eins war eine fantastische Serie bei DC!" Richtig, Batman, Green Lantern, Wonder Woman, Superman haben hier super Auftritte gemacht. Aber zwei Vorschläge: Entweder wir nehmen diese Nebenserien als Maßstab für die zukünftigen Hauptserien. Oder: Wir betrachten diese Geschichten als das, was sie sind: als Bücher, die für sich existieren und die nicht in die Logik eines Multiversums eingeflochten werden müssen. Machen wir uns nicht vor, dass die Beziehungen zwischen Erde-1, Erde-0 und Erde-Prime ein ausschlaggebender Grund für gute Stories in der DC-Kontinuität gewesen wären. Komplexe serienübergreifende Megaevents? Ja, klar! Und falls das hier missverständlich ist: ich bin bereit, mich in eine komplexe Comicwelt einzuarbeiten. Mega-Events mit Sonderbänden, Limited Issues, Spin-Offs, Monster-Editions und Co. bereichern mein Nerd-Leben durchaus. Aber gerne in ganz neue Richtungen ohne Paralleldimensionen, Zeitreisen und alternative Realitäten - das wurde nun auserzählt. Der Anstoß zu diesem Eintrag war die Lektüre von Dark Crisis #1, eines Events, das in den USA längst abgeschlossen ist. Ich habe mich bewusst von Spoilern ferngehalten, viele wissen schon mehr als ich. Aktuell deutet aber alles daraufhin, dass diese Story more of the same bietet und keine gravierenden Überraschungen warten.

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